Auslöser für den wenig überraschenden Atomangriff aus Bayern sind die energiepolitischen Beschlüsse der großen Koalition, mit denen sie den Ausbau der Windkraft - insbesondere im Süden Deutschlands - ausbremsen will.
Die Süddeutsche Zeitung berichtete am 13.11.2013, Frau Aigner (CSU, Bayern, Wirtschaftsministerin), wolle deshalb das nach dem Super-GAU in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" (Dai-ichi) entwickelte Energiekonzept Bayerns grundlegend überarbeiten:
- Dabei stelle sie explizit den bisherigen Fahrplan des "Atomausstiegs" in Frage.
Das Umweltinstitut München schrieb in einer E-Mail an den Verteiler, Herr Seehofer (CSU, Bayern, Ministerpräsident) habe sich verärgert über den Vorstoß geäußert und auch Frau Aigner habe dem umgehend widersprochen. Dabei muss sie wohl übersehen haben, dass sie den Stein mit ihren Äußerungen in der Süddeutschen Zeitung selbst ins rollen gebracht hat. Und auch Herr Seehofer ist längst nicht so unschuldig an der für die politischen Handlanger der Atomkonzerne peinlichen Situation: Schließlich war er es, der das radikale Abwürgen der Windkraft in Bayern durchgesetzt hat.
In der Öffentlichkeit sprechen Politiker allerdings nicht so gerne über ihre Unterstützung für die Atomkonzerne. Das gefährdet nur den Erfolg der heimlichen Arbeit an einer neuen "Laufzeitverlängerung".
- Dazu passt dann auch das Beharren der bayerischen Landesregierung auf der Genehmigung für die geplante Leistungserhöhung des Atomkraftwerks "Gundremmingen",
AKW "Gundremmingen": Besonders gefährlich
Die beiden Reaktorblöcke B und C des Atomkraftwerks "Gundremmingen" sind die letzten hierzulande noch laufenden Siedewasserreaktoren. Dabei handelt es sich um den gleichen Reaktor-Typ, wie in der havarierten Atomanlage "Fukushima-I", der im Vergleich mit den heute üblichen Druckwasserreaktoren als besonders gefährlich gilt. Dessen Mängel zeigten sich auch beim Reaktorblock A des Atomkraftwerks "Gundremmingen", der seit einem schweren Unfall im Jahre 1977 außer Betrieb ist und seit 1983 - inzwischen also seit 30 Jahren(!) - zurückgebaut wird.
Aufgrund von Eisregen und Raureif waren die die Isolatoren einer Hochspannungsleitung gebrochen. Als der Reaktor daraufhin abgeschaltet werden musste, kam zu einem Kurzschluss. Obwohl die Schnellabschaltung wie geplant erfolgte, stieg der Druck im Reaktorkern. Als deswegen die Sicherheitsventile öffneten, strömten 200000 Liter radioaktiver Dampf in das Reaktorgebäude und setzen es drei Meter hoch unter Wasser. Infolge des Unfalls wurde der Reaktorkern schwer beschädigt.
Nachdem das radioaktive Wasser abgepumpt und die kontaminierten Teile gereinigt worden waren, entdeckte der TÜV feine Risse an den Rohren des Kühlkreislaufs. Die Betreiber (damals die Bayernwerke und RWE) sollten Teile des Reaktors austauschen und ein verbessertes Sicherheitskonzept vorlegen. Stattdessen enschieden sie sich jedoch dafür, den Reaktorblock A aus wirtschaftlichen Gründen stillzulegen.
Gegen die geplante Leistungserhöhung des Atomkraftwerks "Gundremmingen" gibt es nicht nur Widerstand von regionalen Atomkraftgegnern, sondern auch aus Österreich, wo die Umweltschutzorganisation "Global 2000" eine Petition initiiert hat. Diese argumentiert damit, dass die Leistungserhöhung zulasten der Sicherheitsreserven gehen würde, wodurch die Gefahr eines schweren Unfalls vervielfacht werden würde.
Billigende Inkaufnahme großer Opferzahlen
Bei einer Entfernung zum Standort des Atomkraftwerks von 110 und 155 Kilometern liegen Bregenz und Innsbruck innerhalb der 170 km Zone, innerhalb der es laut einer Studie des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS) notwendig werden könnte, die dort lebenden Menschen "permanent umzusiedeln" ("Analyse der Vorkehrungen für den anlagenexternen Notfallschutz für deutsche Kernkraftwerke basierend auf den Erfahrungen aus dem Unfall in Fukushima", Seite 33, Tabelle 6.6). Auf dieses Ergebnis der Studie verweisen auch die "Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges" (IPPNW) in einer Pressemitteilung vom 06.11.2013. Sie begrüßen es, "dass die Strahlenschutzkommission bereit ist, den Katastrophenschutz um Atomkraftwerke auszubauen".
Es sei jedoch inakzeptabel, dass dauerhafte Evakuierungen nur aus Gebieten durchgeführt werden sollen, in denen die Menschen nach einem Atomunfall mit einer jährlichen Strahlendosis von mindestens 50 Millisievert belastet sind. Damit nehme man billigend in Kauf, dass es nach einem Super-GAU zu großen Opferzahlen kommt.
In Japan würden Gebiete mit einer Belastung von 20 Millisievert pro Jahr als unbewohnbar gelten. Und selbst diesen Grenzwert würden viele Strahlenschützer noch als zu gefährlich ansehen.
- Inzwischen erkenne auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) an, dass es keinen Schwellenwert gibt, unterhalb dessen Radioaktivität medizinisch unbedenklich wäre.
Deutsche Städte wie Stuttgart, München oder Nürnberg wären von einem Super-GAU im Atomkraftwerk "Gundremmingen" ebenso betroffen, wie die genannten Städte in Österreich. Das sollte auch aus deutscher Sicht eigentlich Grund genug dafür sein, die Petition von Global 2000 zu unterstützen.
(Quellen: Main-Post vom 04.12.2013, Süddeutsche Zeitung vom 13.11.2013, IPPNW - Pressemitteilung vom 06.11.2013, Deutschlandradio vom 13.01.2012, atomkraftwerkePlag, Global 2000, BfS-Studie)
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