Sonntag, 29. Dezember 2013

Die weite Welt im Rückspiegel

Das Jahr 2013 liegt in den letzten Zügen. Über den Jahreswechsel werde ich für ein paar Tage zu meiner Schwester fahren. Deshalb habe ich meinen alljährlichen Blick in den Rückspiegel dieses Mal etwas vorgezogen. Hier ist eine kleine Auswahl aus den Ereignissen, die mich im jetzt zu Ende gehenden Jahr beschäftigt haben.

Im Januar und im März ging es erneut um "Neonikotinoide", einer Gruppe vom Insektiziden, die im begründeten Verdacht stehen, zum inzwischen besorgniserregenden Massensterben von Bienenvölkern beizutragen. Bereits vor zwei Jahren wurde in den USA und in der EU über ein Verbot dieser Gifte debattiert. Mit Debatten allein wird sich das fortgesetzte weltweite stille Sterben der Bienen allerdings wohl kaum aufhalten lassen. Studien belegen die Störung der Orientierung kontaminierter Bienen.

Im Mai äußerte sich Herr Mandl (ehemaliger Koordinator der ARGE Bienenforschung an der Universität für Bodenkultur in Wien) gegenüber der östereichischen Zeitung "Der Standard" mit den Worten (Zitat): "Wissenschaftlich gibt es da überhaupt keinen Zweifel - die Giftigkeit ist längst bewiesen." Schließlich würden rund 50 Abhandlungen international renommierter Forscher existierten, mit denen die Gefährlichkeit von Neonicotinoiden - nicht nur für Bienen - bestätigt worden sei. Dort, wo diese Gifte zum Einsatz kommen, sei das gesamte Ökosystem in großer Gefahr.

Inzwischen hatte auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) vor der Gefährdung der Bienen durch die drei Insektizide Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam der Unternehmen Bayer und Syngenta gewarnt, woraufhin eine Mehrheit der EU-Staaten sich für ein befristetes Verbot aussprach. In den Ohren der Chemielobby verhallen diese Warnungen ungehört. Das Klingeln in den Kassen der Konzerne übertönt alles andere. Damit das so bleibt, haben die Chemiekonzerne Syngenta und Bayer jeweils eine Klage beim Gericht der Europäischen Union in Luxemburg gegen das am 01.12.2013 in Kraft getretene, vorerst zweijährige Verbot eingereicht ...


Im März wurde ich auf einen noch nicht fertiggestellten Film aufmerksam, der ein Thema ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit rücken will, dessen Tragweite mir bis dahin nicht bekannt war: Plastikmüll in den Weltmeeren.

Ein Teil dieser Hinterlassenschaften der Wohlstandsgesellschaften in den Industrienationen gelangt über die Flüsse in die Meere. Hinzu kommen die lange praktizierte "über Bord" Müllentsorgung in der Schifffahrt, Verluste von Kunststoffnetzen in der Fischerei, bei Schiffshavarien aus der Ladung freigesetztes Plastikmaterial, oder große Mengen Materials, dass infolge von Naturkatastrophen, wie Tsunamis oder Hurrikans in die Meere gelangt.

Der größte der mit der Strömung zirkulierende Kunststoff-Strudel ist der aus mehr als 100 Millionen Tonnen Plastikmüll bestehende "Great Pacific Ocean Garbage Patch" im Nordpazifik. Schätzungen gehen von einer Million Kunststoff-Teilchen pro Quadratkilometer aus. Darunter zu leiden haben unter anderem Fische und Seevögel. Aber auch für uns Menschen werden der Plastikkonsum und unsere Wegwerfmentalität zunehmend zu einem ernsthaften Problem ...


"Der Raubtierkapitalismus muss gefüttert werden. Die fünfhundert größten transnationalen Konzerne haben voriges Jahr 52,8 Prozent des Weltbruttosozialproduktes kontrolliert. Die haben eine Macht, wie kein König oder Kaiser sie je genossen hat. Wir leben unter der Weltdiktatur des globalisierten Finanzkapitals. Die Oligarchen scheffeln Reichtum, während sich in der dritten Welt die Leichenberge türmen. Das ist eine kannibalische Weltordnung, die müssen wir brechen."

Das sagte Jean Ziegler (von 2000 bis 2008 UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung; seit 2008 Vizepräsident des beratenden Ausschusses des UNO-Menschenrats) im Mai in einem Interview mit dem Magazin "The European" ... - Und weiter: "In den 122 Entwicklungsländern – in denen 4, 9 Milliarden Menschen leben – ist die Außenverschuldung erdrückend. Deshalb ist die Versuchung sehr groß, das Gemeinwesen, also zum Beispiel die Wasserversorgung, der Privatwirtschaft zu verkaufen ... " - Der Ausverkauf der Trinkwasservorräte beschränkt sich allerdings nicht nur auf mittellose Entwicklungsländer. Auch in den Industriestaaten greifen Weltkonzerne, allen voran Nestlé,  nach jeder Quelle, derer sie habhaft werden können und verkaufen billiges Leitungswasser, abgefüllt in Flaschen, teuer und unter phantasievollen Markennamen an diejenigen die es sich (noch) leisten können.

Einer meiner Lehrer hat bereits vor etwa 40 Jahren prophezeit, dass nach dem Ende der Konflikte um das Erdöl erbitterte Kriege um die Wasserreserven des Planeten geführt werden würden. Ich fürchte, erkönnte damit Recht behalten ...


Im Juli wurde in Bremerhaven im Rahmen der Anarktiskonferenz der "Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze in der Antarktis" (Commission for the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, CCAMLR) über die Einrichtung eines Meeresschutzgebiets geschachert und gefeilscht. Da einige der beteiligten Staaten wieder einmal primär ihre eigenen, wirtschaftlichen Interessen verfolgten, war das erneute Scheitern der Konferenz vorprogrammiert. Das war nicht nur eine schlechte Nachricht für das empfindliche Ökosystem der Antarktis, sondern auch für den Klimaschutz.


Ebenfalls im Juli gingen weltweit und in mehr als 30 deutschen Städten Menschen gegen die weltweite, kontinuierliche Verletzung ihrer Privatphäre durch Spionageprogramme wie PRISM, TEMPORA, etc. auf die Straße. Dabei demonstrierten sie unter anderem auch ihre Solidarität mit Edward Snowden, Bradley Manning und anderen Whistleblowern, ohne deren persönliches Opfer wir den ironischerweise demokratisch gewählten Verrätern unserer Interessen inzwischen noch mehr ausgeliefert wären, als es ohnehin schon der Fall ist.

Inzwischen verhandelt die Regierung der USA mit Staaten des Pazifischen Raums und der Europäischen Union gerade über zwei "Freihandelsabkommen", mit deren unsere Volksverkäufer und direkt den Fängen der Unternehmen und Konzerne ausliefern. Deren gegen die Rechte der Beschäftigten, gegen die Gesetzgebung zum Schutz der Umwelt un des Klimas etc. gerichtete Angriffe werden dann mit demokratischen Mehrheitsentscheidungen nicht mehr aufzuhalten sein.

Sofern wir uns dagegen nicht zur Wehr setzen, werden die Delegierten der beteiligten Staaten in ihren unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Verhandlungen unsere grundlegenden demokratischen Werte zugunsten der kurzfristigen Gewinnmaximierung der Konzerne verschachern. Sollte es soweit kommen, dann könnte auch einer der "Global Player", der bisher vergeblich versucht hat, in Europa Fuß zu fassen, tun und lassen was er will: Monsanto. Uns stünden dann ähnliche Probleme ins Haus, wie diejenigen, unter denen die Menschen in Argentinien bereits heute zu leiden haben


Seit dem Regierungswechsel im Iran gibt es das erste Mal seit vielen Jahren wieder einen kleinen Hoffnungsschimmer bezüglich der Bedrohung durch Irans Atomprogramm. Auch die Töne gegenüber Israel wurden etwas moderater. Auf israelischer Seite sitzt das Misstrauen allerdings tief.

Einem Artikel in Hennings wunderbarer Webwelt zufolge könnte dieses Misstrauen allerdings auch nicht ganz unbegründet sein. Henning weist auf einen Film hin, der Irans Präsenz auf Seiten des Assad-Regimes in Syrien belegen soll.

Trotz alledem wäre es aus meiner Sicht zumindest eine Chance auf einen friedlicheren Nahen Osten, wenn Israels Regierung dem neuen Regime im Iran gegenüber etwas diplomatischer auftreten würde. Es ist ja nicht nur so, dass Israel sich durch Iran bedroht fühlt: Umgekehrt hat auch Irans Regierung allen Grund, den Hardlinern in der Regierung Israels gegenüber misstrauisch zu sein.


Henning schreibt, ohne die Hilfe der iranischen Revolutionsgarden wäre das Assad-Regime wohl nicht so erfolgreich im Kampf gegen die syrischen Regimegegner gewesen. Inzwischen kommt meines Wissens erschwerend hinzu, dass die Opposition in Syrien auch kein einheitliches Bild mehr bietet. In deren Reihen gibt es offensichtlich Gruppierungen, die nicht den Aufbau einer Demokratie, sondern den eines islamischen Gottesstaates anstreben.

Wie in allen Kriegen und Bürgerkriegen sind es auch in Syrien vor allem die unbeteiligten Zivilisten, die unter den Kriegsfolgen zu leiden haben. Ich fürchte, auf die Menschen dort wird noch so manche böse Überraschung warten.


Das gleiche könnte für die Menschen in Ägypten gelten, sofern die Armee ihre derzeitige Position zur Festigung ihrer eigenen Macht missbrauchen sollte. Dann würde es keinen allzu großen Unterschied mehr machen, ob die Ägypter unter der Diktatur der Militärs oder religiöser Fanatiker leben müssten. Ihr Kampf für ein demokratisches Ägypten wäre vorerst verloren.


Mit dem Tode Nelson Mandelas am 5. Dezember verlor die Weltgemeinschaft einen ganz besonderen Menschen. Als Freiheitskämpfer gegen die Apartheid in seiner Heimat Südafrika wurde er verfolgt, gefangen genommen und verurteilt. 27 Jahre seines 95 Jahre währenden Lebens musste er in einer kleinen Zelle auf der Gefängnisinsel Robben Island verbringen.

Dennoch überwand er seinen persönlichen Hass gegen das Apartheid-Regime. Das befähigte ihn später als demokratisch gewählter Präsident die Grundlage für die Überwindung der Rassenschranken in einem neuen Südafrika zu legen, in dem jeder Bürger seinen Platz finden können soll. Es gibt wohl nicht viele Menschen, die dazu in der Lage gewesen wären, wenn sie die gleichen Erfahrungen gemacht hätten, wie Nelson Mandela.


Als erster Konzern weltweit hatte "Gazprom" im September mit den Vorarbeiten zur Förderung von Erdöl in arktischen Gewässern begonnen. Dagegen hatten Aktivisten der internationalen Umweltschutzorganisation "Greenpeace" protestiert. Der russische Geheimdienst FSB kaperte daraufhin das Greenpeace Schiff "Arctic Sunrise", unterbrach die Kommunikationsverbindungen und nahm die Besatzung fest.

Das alles spielte sich außerhalb des russischen Hoheitsgebietes in internationalen Gewässern ab. Etwas später meldete Greenpeace, die "Arctic Sunrise" bewege sich in Richtung Murmansk.

Anfang Oktober wurden alle 28 Besatzungsmitglieder sowie zwei zwei Journalisten, die sich an Bord der "Arctic Sunrise" befunden hatten, wegen "Piraterie" angeklagt. Nachdem sich der absurde Vorwurf nicht länger aufrechterhalten ließ, wurde die Anklage in "Rowdytum" geändert.

Mitte November forderte der Internationale Seegerichtshof (ISGH) in Hamburg Russland auf, die Besatzung der "Arctic Sunrise" freizulassen und das gekaperte Schiff freizugeben. Die russische Regierung hatte sich jedoch bereits vorher dahingehend geäußert, dass sie die Entscheidung des ISGH nicht anerkennen werde.

Nachdem das russische Parlament einer von Präsident Wladimir Putin eingebrachten allgemeinen Amnestie für 'politische' Gefangene zugestimmt hatte, konnten am zweiten Weihnachtstag auch die ersten der festgehaltenen Besatzungsmitglieder der Arctic Sunrise" Russland verlassen.

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