Rückblende:
In der Weihnachtsbausaison 2007 hatte sich meine Mutter nach langer Suche auf dem Verkaufsplatz ihres damals bevorzugten Weihnachtsbaumhändlers ihres Vertrauens durch das gesamte, insgesamt aber etwas dürftige Angebot gekämpft, sich dann aber letztlich doch für den ersten - ihren Traum Baum - entschieden.Gute, wenn auch "etwas relativierte" Vorsätze, die erst nach der Sylvesternacht gefasst werden, halten offenbar leider längst nicht so lange vor, wie diejenigen, auf die sich die Leute leichtsinnigerweise während der dahinrasenden Sekunden zwischen den Jahren einlassen (ab Morgen ist Schluss mit Rauchen! Prosit Neujahr!), um sie gleich am darauffolgenden Morgen unter dem Einfluss des alljährlichen Neujahrskaters wieder zu vergessen ...
Leider war das gute Stück damals etwas zu groß ausgefallen. Der Baumständer war machtlos gegenüber der Zweigesfülle des stämmigen Traumbaums, der deshalb ständig zu kippen drohte. Ich konnte die Situation damals mit einer - meiner Meinung nach - genialen Erfindung retten: In der digitalen Welt hätte man meine Innovation wohl als Traumbaumständer-"AddOn" bezeichnet. Mit Hilfe dieses AddOn's ließ sich die Standfläche des - angesichts des massigen Traumbaums - gar nicht mehr standhaften Ständers so weit vergößern, dass das Gewicht der ausladenden Äste des Gut-2-Meter-Baums keinen Einfluss mehr hatte.
Nach gewonnenem Kampf mit dem Traumbaum war meine Mutter mit ihren Kräften völlig am Ende (und meine Nerven hatten auch etwas gelitten), so dass sie zu der Einsicht kam: "Das machen wir nächstes Jahr nicht noch einmal". Sollte heißen: Der Traumbaum ist der letzte Baum, mit dem ich mich zu Weihnachten abgequält habe.
Als der vormals traumhafte Baum gleich nach Sylvester nackt, ohne Spitze und ohne Kugeln, sowie all seines sonstigen Glitzerkrams beraubt, im Wohnzimmer auf seine Verabschiedung wartete, war meine Mutter schon wieder bedeutend besser drauf als nach der denkwürdigen Aufstellaktion. Ihr zurückgewonnenes Selbstvertrauen hatte sie damals dazu veranlasst, ihre Aussage vom Dezember etwas zu relativieren: "Beim nächsten Mal nehme ich wieder einen kleineren Baum".
Rückblende:
Den "kleineren Baum" der Weihnachtsbaumsaison 2008 würde man in der digitalen Welt wohl am zutreffensten mit "Traumbaum 2.0" bezeichnen: Die Nordmanntanne - selbstverständlich erste Wahl - stand dem Traumbaum der vorangegangenen Saison nämlich in nichts nach. Im Gegenteil: Der Baumständer hatte selbst mit installiertem AddOn keine Chance gegen das massige Stück und protestierte so lange mit knirschenden Geräuschen, bis wir vor den Gesetzen der Physik kapitulierten.Wie eingangs bereits erwähnt, war es mir im Laufe der Jahre - dank meiner geduldigen Überredungskünste - gelungen, die Weihnachtsbaumträume meiner Mutter bis zur Weihnachtsbaumsaison 2012 auf etwa einen Meter und fünfzig Zentimeter zurückzustutzen. Ihr Kommentar: "Solch einen kleinen Weihnachtsbaum hatte ich ja noch nie." Allerdings hatten meine Bemühungen die traditionell ohnehin langwierige Prozedur ihrer Entscheidungsfindung von Jahr zu Jahr weiter verkompliziert. Aber wie auch immer: Im letzten Jahr konnte meine Mutter dem kleinsten Weihnachtsbäumchen aller Zeiten immerhin auch eine gute Seite abgewinnen. Heiligabend meinte sie zu uns: ".. Dafür habe ich aber auch keine Leiter mehr gebraucht, um den Baum zu schmücken."
Das Problem ließ sich nur noch mit der Investition in einen dieser neumodischen XXL-Tretpedalklemmständer aus dem Weg schaffen. Am Ende musste dann auch der Traumbaum 2.0 angesichts unserer Hartnäckigkeit klein beigeben.
Von der ohnehin sinnlosen Idee meiner Mutter mit dem "guten Vorsatz fürs nächste Jahr" war inzwischen keine Rede mehr. Angesichts dessen, dass sie sich zwischen Weihnachten und Sylvester - passend zu den Ausmaßen der beiden Traumbäume - eine neue Lichterkette mit 30 Lampen geleistet hatte, hätte ihr das ohnehin niemand mehr abgenommen. Aufgrund des neuen Baumständers blickte ich allerdings doch schon etwas gelassener in die inzwischen vergangene Zukunft, als noch im Jahr zuvor.
Gestern griff der neuerdings bevorzugte Weihnachtsbaumhändler meiner Mutter, ohne lange zu überlegen, mitten in den an die Drahtumzäunug seines Verkaufsplatzes gelehnten Nordmanntannenwald und zog einen etwa zwei bis drei Meter hohen Baum hervor. Glücklicherweise reagierte meine Mutter spontan richtig: "Nee, der ist ja viel zu groß. Und außerdem ist der Abstand zwischen den Zweigen viel zu groß."
So ist nun mal der Lauf der Natur. Die Weihnachtsbäume können wachsen wie sie wollen: Irgendjemand hat immer etwas daran auszusetzen.
Der nächste aus dem abgeholzten Wald hervorgezauberte Weihnachtsbaum brachte es auf etwa einen Meter und fünfzig Zentimeter. Die Begutachtung meiner Mutter ließ mich hoffen: "Der ist schon besser. Die Länge ist in Ordnung und schön dicht ist er auch." Als sie nach dem Preis für einen Weihnachtsbaum in dieser Größe fragte, bekam sie zur Antwort: "45 Euro." "Nee!", sagte meine Mutter: "Das ist ja viel zu teuer."
Der Besitzer des seiner Wurzeln beraubten Nordmanntannenwalds gab sich deshalb jedoch noch längst nicht geschlagen: "Die Bäume sind aber alle frisch geschlagen und alles erste Wahl." Dafür müsse er schon 45 Euro nehmen. Damit stieß er bei meiner Mutter jedoch auf taube Ohren: "Nee: 45 Euro ist zu teuer. Das kann ich mir nicht leisten." Vermutlich wollte der erfahrene Weihnachtsbaumhändler nicht riskieren, seine Bäume wieder mit zurück nach Hause schleppen zu müssen: "Wieviel würden Sie denn ausgeben wollen?" Leider ohne lange darüber nachzudenken, sagte meine Mutter: "40 Euro ist die äußerste Grenze." Mehr würde sie auf gar keinen Fall investieren.
Daraufhin überschlugen sich plötzlich die Ereignisse. In dem Moment, als der Meister des Weihnachtsbaumhandels sagte: "Ok, dann bekommen Sie ihn für 40 Euro.", war der Baum auch schon durch die Blechröhre in das Transportnetz gerauscht. Meine Mutter war von der rasenden Entwicklung des Geschäfts völlig überrumpelt, so dass sie es - ohne lange darüber nachzudenken - mit zwei zwanzig Euro Scheinen, die sie aus ihrem Portemonaie zog, abschloss. Meine hastig eingeworfene Frage, ob sie genau diesen Baum denn auch tatsächlich haben wolle, nahm sie zwar zur Kenntnis, meinte aber nur, dass wir nun mit dem Baum zurück zu ihr nach Hause fahren könnten.
Na denn ... - Auf dem Weg zurück zu ihrer Wohnung meinte meine Mutter plötzlich, nachdem sie einige Zeit lang geschwiegen hatte: "Eigentlich habe ich mir den Baum ja gar nicht richtig angesehen. Hoffentlich ist der jetzt auch in Ordnung." - Ich hatte es ja kommen sehen ...
Als der Baum sich seiner neuen Besitzerin dann frisch aufgestellt in ihrem Wohnzimmer präsentierte, kam diese zu dem Schluss: "Das ist aber ein schöner Baum. - Auch wenn er noch kleiner ist, als der vom letzten Jahr ... - Solch einen kleinen Baum habe ich ja noch nie gehabt."
Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Baum kein Stück kleiner als der vorjährige ist. Der diesjährige Baum passte nämlich gerade mal so ins Auto ... - und: Größere Bäume konnte ich damit schon im letzten Jahr nicht transportieren ...
Da ich gerade einmal in Übung bin, werde ich nachher noch schnell unseren Baum aufstellen: Auch das ist natürlich eine Nordmanntanne - und selbstverständlich erste Wahl! Meine Tochter Jana meint, den Spruch lernen die Weihnachtsbaumhändler in der Weihnachtsbaumhändlerschule, bevor sie mit ihrer kurzlebigen Ware auf die weihnachtsstimmungssüchtige Kundschaft losgelassen werden.
Der vorweihnachtliche Trubel ist vorbei. Die letzte Arbeit ist für dieses Jahr erledigt. Heute Nachmittag werden wir zusammen mit unseren Kindern, die beide über die Weihnchtstage bleiben werden, in aller Ruhe Advent feiern und uns auf die Weihnachtstage einstimmen.
Ich wünsche auch euch einen geruhsamen vierten Advent.
3 Kommentare:
Hallo Jürgen,
ich kann echt mitfühlen, genial wie Du die Geschichte beschreibst. Auch mir ist es soeben gelungen den Baum, natürlich die Nordmanntanne, aufzustellen. Gekauft wurde selbige wie schon in den letzten zehn Jahren auf dem Ernst Reuter Platz. Mir wurde nahe gelegt den Baum schon Heute "einzutopfen", dann können sich die Zweige schon einmal etwas lichten und senken.
Gesagt getan, der Baum, ER steht...fest im Ständer,
Nun meinte meine Frau" ich gebe noch etwas Wasser in den Ständer, dann hält Er länger". So wurde der Baum getränkt und wartet auf den heiligen Abend. Soeben ruft meine Frau aus der guten Stube "Der Ständer, ich glaube er leckt, hier ist alles feucht" Mein abschließender Kommentar. "Bitte glaube nicht das ich nun den Baum wieder befreie und die Prozedur von vorn beginnt". Der Schaden wird begutachtet nach dem Jahreswechsel, ich hoffe der Verlust hält sich in Grenzen.
Frohe Weihnachten...Dir Jürgen, Deiner Familie und allen Lesern. LIeber Gruß
Heiko
Übrigens: ich habe es auch gleich eingesehen, na jaa.
Baum raus aus den Ständer trocken gelegt..und wieder eingetopft. Übrigens...ich glaube nicht der Ständer ist defekt, sondern, meine Frau hat NUR gekleckert und Wasser vergossen. Aber..was soll es der Baum ist geschmückt und wartet auf das Enkelkind.
LG Heiko
@Heiko: Dann braucht jetzt ja während der Festtage keine Angst mehr vor einer Flutkatastrophe in eurer "Guten Stube" zu haben ;)
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