Dienstag, 10. August 2010

Das Märchen von der Atombrücke

Atomkraft? Nein Danke!Der von der Bundesregierung beschlossene "Nationale Aktionsplan für erneuerbare Energien" prognostiziert, dass die erneuerbaren Energieträger, deren Anteil an der Stromerzeugung 2009 bei 16,1% lag, 2020 einen Anteil von 38,6% erreichen werden.

Herr Röttgen (CDU, Bundesumweltminister) sagt, die Atomkraft solle nur so lange als "Brückentechnologie" herhalten, bis der Anteil der erneuerbaren Energieträger am Energiemix einen Anteil von 40 Prozent erreicht haben.

Der aktuelle "Nationale Aktionsplan für erneuerbare Energien" belegt, dass diese 40 Prozent im Jahr 2020 fast erreicht sein werden (Seite 15, Tabelle 3). Im Atomkonsenz wurde festgelegt, dass das letzte Atomkraftwerk im Jahr 2023 abgeschlatet wird. Wenn die Entwicklung der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen von der schwarz-gelben Wespenkoalition nicht weiter behindert wird, kann anhand der Prognose des "Nationalen Aktionsplans für erneuerbare Energien" davon ausgegangen werden, dass der Anteil der erneuerbaren Energieträger bis dahin 40 Prozent oder mehr betragen wird.

Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) geht sogar davon aus, dass bis 2020 bereits 47 Prozent des Stromverbrauchs in Deutschland aus regenerativen Energiequellen gedeckt werden können. 2009 betrug der Anteil der Atomkraft an der Stromversorgung in Deutschland nur 22,6 Prozent. Dieser Anteil nähme bei fortgesetztem stetigen Ausbau der erneuerbaren Energien natürlich weiterhin kontinuierlich ab, wenn er nicht - wie von einigen Politikern der Wespenkoalition gefordert - durch eine unbegrenzte Verlängerung der Laufzeiten für die Atomkraftwerke blockiert würde. Der BEE kommt daher zu dem Schluss, die erneuerbaren Energien würden die von Herrn Röttgen formulierten Bedingungen für das Ende der Atomkraftwerke noch vor 2020 erfüllen. Damit könne und müsse es auch nach Lesart Herrn Röttgens beim im Atomkonsens vereinbarten Atomausstieg bleiben.

Auch die von Greenpeace in Auftrag gegebene Studie "Klimaschutz: Plan B 2050" kommt zu dem Ergebnis, dass die erneuerbaren Energien die Atomkraft schon bis zum Jahr 2015 vollständig ersetzen können. Die sieben ältesten und gefährlichsten Atomkraftwerke sowie den Pannenreaktor in Krümmel könnte man sofort abschalten, ohne dass deshalb irgendwo die Lichter ausgingen.

In seiner Stellungnahme zur Energiepolitik der Bundesregierung vom Mai 2010 weist der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) auf den Seiten 75 bis 77 auf die technische Unvereinbarkeit der Atomkraftwerke mit den zukünftigen Anforderungen der Energieerzeugung hin:

"Eine Analyse historischer Daten zeigt, dass die Leistung von Grundlastkraftwerken (im Wesentlichen Kernkraftwerke und Braunkohlekraftwerke) in der Vergangenheit an Zeitpunkten mit starker Einspeisung von Windstrom nicht unter 46 % reduziert werden konnte (..). Neue Steinkohlekraftwerke können nach Angaben des Bundesverbandes Braunkohle (..) kurzzeitig bis zu einer Untergrenze von 25 % ihrer Nennlast heruntergeregelt werden.

Starke und häufig auftretende Leistungsänderungen von Atom- und Kohlekraftwerken haben jedoch für den Betreiber mindestens zwei negative Folgen: zum einen sinkt im Teillastbetrieb der Wirkungsgrad einer Anlage und damit erhöhen sich die spezifischen Kosten der Elektrizitätsproduktion, zum anderen führen häufige Leistungsänderungen zu Materialermüdung insbesondere von Bauteilen, die in den Erzeugungskreisläufen hohem Druck oder hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Eine solche Betriebsweise mindert somit ihre zu erwartende Lebensdauer (..). Bei einem erheblichen Ausbau erneuerbarer Erzeugungskapazitäten werden konventionelle Kraftwerke darüber hinaus zeitweise vollständig abgeschaltet werden müssen. Nach Abschaltungen sind Mindeststillstandszeiten einzuhalten, um thermische Spannungen zu verringern (..). Dies verringert die mögliche Jahresvolllaststundenzahl der Anlage weiter.

Eine Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken, wie sie derzeit von verschiedenen Seiten als notwendige Option dargestellt wird (..), würde die oben dargestellten Probleme unnötig verschärfen, denn Atomkraftwerke verfügen nicht über die im zukünftigen Energiesystem notwendigen Flexibilitätseigenschaften. Auch der Bau neuer Kohlekraftwerke für den Grundlastbereich ist weder eine für das System hilfreiche Ergänzung, noch werden entsprechende Investitionen auf Dauer die erwarteten ökonomischen Ergebnisse für die Investoren erzielen, da die bei der Planung der Kraftwerke unterstellten Betriebsstunden nicht mehr erreicht werden können. ...

... Aufgrund des Systemgegensatzes zwischen Kraftwerken, die technisch-ökonomisch auf Grundlast ausgelegt sind, und stark fluktuierenden regenerativen Energiequellen sind nach Einschätzung des SRU sowohl die diskutierte Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken als auch der geplante Neubau von erheblichen Kapazitäten von Kohlekraftwerken mit einer Übergangsstrategie auf eine vollständig regenerative Energieversorgung unvereinbar."

Die Behauptung einiger Politiker der Wespenkoalition, Atomkraftwerke seien eine "Brückentechnologie für den Übergang in das Zeitalter der regenerativen Energieerzeugung" ist also allein aus technologischer Sicht schon völliger Blödsinn. Das Gegenteil ist der Fall:

"Weder eine Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken noch der Bau neuer Kohlekraftwerke mit Kohlendioxidabscheidung und -speicherung sind notwendig. Anders ausgedrückt: Bereits der Bestand an konventionellen Kraftwerken (mit einem geringen Zubau an Gaskraftwerken) reicht als Brücke."

(Stellungnahme des SRU zur Energiepolitik der Bundesregierung, Seite 48.)


  • Meine dringende Empfehlung an Herrn Röttgen:

    Nehmen Sie ihre eigenen Prognosen und die Empfehlungen ihres Sachverständigenrats für Umweltfragen endlich ernst. Setzen Sie sich konsequent für die Verkürzung der Laufzeiten der Atomkraftwerke ein. Hören sie damit auf, ihren Koalitionskollegen bezüglich Laufzeitverlängerungen für die deutschen Atomkraftwerke nach dem Mund zu reden. Leisten Sie statt dessen Überzeugungsarbeit gegen den weiteren Betrieb von Atom- und fossil befeuerten Kraftwerken. Wenn Sie sich einmal ernsthaft damit auseinandersetzen, und eigene Recherchen betreiben, dann werden Sie in verschiedensten Quellen eine große Anzahl verfügbarer Sachargumente gegen diese veralteten Kraftwerkstechnologien finden. Setzen sie sich für den forcierten Ausbau einer dezentralen Energieerzeugung auf Grundlage eines breit gestreuten Mixes erneuerbarer Energieträger und für die zügige Errichtung eines intelligenten Energieverteilungsnetzes ein.




www.campact.de



(Quellen: TAZ vom 04.08.2010, Handelsblatt vom 30.07.2010, Süddeutsche Zeitung vom 12.02.2010 und vom 29.07.2010, SRUvom 05.05.2010 und Stellungnahme vom Mai 2010, Umweltbundesamt Climate Change 13/2009, Fraunhofer Institut für Energiesysteme vom Januar 2009, Greenpeace vom 27.08.2009, Nationaler Aktionsplan für erneuerbare Energie, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Wikipedia)

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Mehrwert:
Ich verstehe sowieso nicht, wieso es eine Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke gibt. Also ich verstehs schon, einige Leute machen damit ein Riesengeschäft. Würde man sich mehr auf Energieeffizienz konzentrieren, könnte Deutschland vermutlich innerhalb von kürzester Zeit auf Atomenergie verzichten

juwi hat gesagt…

@Mehrwert: So ist es. Am 18. September haben wir Gelegenheit, der schwarz-gelben Wespenregierung in Berlin deutlich zu machen, dass wir von ihr verlangen, die Atommeiler, zumindest in Deutschland, umgehend abzuschalten. Bis dann ...

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