Montag, 12. Juli 2010

Bürgerarbeit

Übermorgen geht's los. 34000 Langzeitarbeitslose sollen dann zwangsweise zum Laubsammeln und für ähnliche Tätigkeiten eingesetzt werden. Einen Namen für den dreijährigen "Modellversuch" des Bundesarbeitsministeriums gibt's natürlich auch: Bürgerarbeit.

"Bürgerarbeit" ist aus meiner Sicht nichts anderes als ein neues Schönwort für "Zwangsarbeit". Wer sich weigert, eine öffentlich bezuschusste Zwangsarbeit anzunehmen, wird Schwierigkeiten bekommen, berichtete die Welt am 09.07.2010. Arbeitslose, die sich weigern, eine staatlich verordnete Zwangsarbeit zu verrichten, haben mit Sanktionen zu rechnen. Und wer soll das bezahlen? Natürlich wieder einmal wir Bürger, die wir das Glück haben, zu den glücklichen arbeitshabenden Steuerzahlern zu gehören. Wir bezahlen den zusätzlichen Verwaltungsaufwand und den kärglichen Lohn der Zwangsarbeiter - jedenfalls zur Hälfte - von unseren Steuergeldern ... - zusätzlich zur Arbeitslosenversicherung, versteht sich. 690000 Euro soll uns der Spaß kosten. Den Rest der insgesamt 1,3 Milliarden Euro gibt's aus dem Topf des Europäischen Sozialfonds dazu.

Frau von der Leyen (CDU, Bundesarbeitsministerin) beeilt sich aber natürlich zu betonen, dass die "Bürgerarbeit" selbstverständlich keine "regulären Jobs" verdrängen darf. Wie bitte schön soll das denn wohl gehen? Schließlich ist Bürger-Arbeit, wie das Kunstwort schon sagt, Arbeit, die von Bürgern verrichtet wird. In der Regel gehen Bürger in regulären Beschäftigungsverhältnissen ihrer täglichen Arbeit nach, um damit ihren Lebensunterhalt zu finanzieren.
  • Wenn die gute Frau von der Leyen merken würde, was für einen Blödsinn sie daher redet, dann würde sie schnell ein anderes Wort erfinden ...
Aber das kommt davon, wenn man Arbeitslose zu Zwangsarbeitern degradieren will, sich aber gleichzeitig scheut, das Wort Zwangsarbeit dabei in den Mund zu nehmen.


Zusätzlicher Aufwand schafft zusätzliche Probleme

Betroffene Arbeitgeber sehen den dilettantischen Umgang der Politiker mit der Arbeitslosigkeit etwas anders als Frau von der Leyen. "Die Welt online" schrieb am 09.03.2010 beispielsweise, Herr Kentzler ( ZDH, Zentralverbandes des Deutschen Handwerks, Präsident) habe gesagt, das Handwerk mache schon lange schlechte Erfahrungen mit der Billigkonkurrenz zum ersten Arbeitsmarkt. Die Zeitung zitiert ihn mit den Worten:
"Ob es nun Arbeitspflicht oder ,Soziale Arbeit‘ genannt wird – die öffentliche Förderung gefährdet Arbeitsplätze in Unternehmen und verhindert die Vermittlung in reguläre Beschäftigung. Wenn Kommunen Langzeitarbeitslose beispielsweise über Ein-Euro-Jobs zu Dumpingkonditionen für umfangreiche gewerbliche und handwerkliche Tätigkeiten einsetzen, verlieren in der Folge Handwerksbetriebe Aufträge und Arbeit."

"Der Westen" berichtete in seiner Online Ausgabe am 31.05.2010, in manchen Regionen sei es schon jetzt nicht mehr möglich, weitere öffentlich geförderte "Arbeitsstellen" zu den bereits bestehenden 1-Euro-Jobs hinzu zu erfinden. Der Bedarf sei gedeckt. Daher würden viele Gemeinden auf "Bürgerarbeit" verzichten. Andere Kommunen würden zwar einerseits unter hoher Arbeitslosigkeit leiden, könnten aber andererseits keine zusätzlichen Mittel für öffentlich geförderte Arbeitsplätze aufbringen.


Öffentliche Arbeitgeber: Kein gutes Vorbild

Auch wenn es den einen oder anderen Arbeitsscheuen unter den vielen Arbeitslosen geben wird, kann das nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Arbeitsagentur nicht in der Lage ist, die Leute in reguläre Jobs zu vermitteln, weil es schlicht und einfach keine Arbeit für diese Leute gibt. Die Arbeitsagentur wäre doch froh, wenn sie im Bewusstsein der Öffentlichkeit nicht immer als Buhmänner dastehen würde, die nicht einmal in der Lage ist, ihre Vermittlungsquoten zu erfüllen. Die staatlich verordnete Zwangsarbeit ist letztlich also auch ein zusätzliches Instrument, um die Arbeitslosenstatistik zu schönen.

Gleichzeitig gehen Bund, Länder und Kommuen seit Jahren mit schlechtem Beispiel voran: Stellen werden abgebaut. Gute - und für die Gesellschaft wichtige Arbeiten - werden schlecht bezahlt. Wenn schon Geld für staatlich finanzierte Arbeit ausgegeben wird, dann doch bitte schön für Lehrer, Polizisten, Krankenpfleger, Ärzte, Erzieher etc. - Und wenn Bund, Länder und Kommunen wieder mehr Gärtner beschäftigen würden, dann würde das zum einen dafür sorgen, dass einige Arbeitslose wieder Arbeit in regulären Arbeitsverhältnissen bekämen, und zum anderen dafür, dass sich die Sache mit dem herumliegenden Laub - so ganz nebenbei - von allein erledigen würde. Für Zwangsarbeiter wäre dann kein Laub mehr übrig, dass es noch aufzusammeln gäbe.


(Quelle: Die Welt vom 09.03.2010, Spiegel online vom 09.07.2010, Frankfruter Allgemeine vom 13.07.2010, Der Westen vom 31.05.2010)

2 Kommentare:

G.Gerhardt hat gesagt…

Danke für den Artikel, Herr Winkler.
Aber nur mal weitergedacht, stellen sie sich mal vor, es würden reguläre Arbeitsplätze geschaffen hier in Bremerhaven und es würde hier keine ALG 2-Empfänger mehr geben - die Konsequenz wäre, das genau die Betriebe, die von diesen ALG 2-Empfängern profitieren, indem sie damit Fördergelder abgraben (AfZ, BBU, Context WAE usw.), dicht machen könnten. Da die Geschäftsführer dieser Betriebe auch die politischen Entscheider in Bremerhaven sind, wird sowas also nicht in Bremerhaven passieren, sie brauchen die Arbeitslosen einfach, um sich damit das Leben zu verschönern.

Helmut hat gesagt…

Das hatten wir doch schon einmal, da hieß es Reichsarbeitsdienst. Und warum sollte man die Dinge, die gut waren nicht wieder reanimieren? Deutschland könnte doch vermeintliche Terrorristen aus dn "normalen" Gefängnissen holen und sie in einem speraten Lagen konzentrieren. Das könnte man im Rahmen einer PPP - Aktion von BilfingerBerger bauen lassen und für teueres Geld anmieten. Da wäre allen geholfen.

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