Mittwoch, 14. August 2013

Nis Randers

DGzRS Seenotkreuzer "Hermann Rudolf Meyer"
Krachen und Heulen und berstende Nacht,
Dunkel und Flammen in rasender Jagd –
Ein Schrei durch die Brandung!

Und brennt der Himmel, so sieht man’s gut:
Ein Wrack auf der Sandbank! Noch wiegt es die Flut;
Gleich holt sich’s der Abgrund.

Nis Randers lugt – und ohne Hast
Spricht er: „Da hängt noch ein Mann im Mast;
Wir müssen ihn holen.“

Da faßt ihn die Mutter: „Du steigst mir nicht ein!
Dich will ich behalten, du bliebst mir allein,
Ich will’s, deine Mutter!

Dein Vater ging unter und Momme, mein Sohn;
Drei Jahre verschollen ist Uwe schon,
Mein Uwe, mein Uwe!“

Nis tritt auf die Brücke. Die Mutter ihm nach!
Er weist nach dem Wrack und spricht gemach:
„Und seine Mutter?“

Nun springt er ins Boot und mit ihm noch sechs:
Hohes, hartes Friesengewächs;
Schon sausen die Ruder.

Boot oben, Boot unten, ein Höllentanz!
Nun muss es zerschmettern! Nein: es blieb ganz!
Wie lange? Wie lange?

Mit feurigen Geißeln peitscht das Meer
Die menschenfressenden Rosse daher;
Sie schnauben und schäumen.

Wie hechelnde Hast sie zusammenzwingt!
Eins auf den Nacken des anderen springt
Mit stampfenden Hufen!

Drei Wetter zusammen! Nun brennt die Welt!
Was da? Ein Boot, das landwärts hält!
Sie sind es! Sie kommen!

Und Auge und Ohr ins Dunkel gespannt.
Still – ruft da nicht einer? Er schreit’s durch die Hand:
„Sagt Mutter, ’s ist Uwe!“


© Otto Ernst (1862–1926)


Da meine bisherige Kamera sich leider immer öfter nur noch dann einschalten ließ, wenn es ihr gerade passte, aber nicht dann, wenn ich damit gerade fotografieren wollte, habe ich mich leider von ihr trennen müssen. Zur Zeit bin ich dabei, mich mit meiner "Neuen" vertraut zu machen. Bei der Gelegenheit ist auch die Nachtaufnahme von dem in Bremerhaven stationierten Seenotkreuzer "Hermann Rudolf Meyer" der "Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger" (DGzRS) entstanden.


Unter Einsatz des eigenen Lebens

Als ich mir das Bild nachher am Bildschirm angesehen habe, kam mir die Ballade "Nis Randers" wieder in den Sinn, von der ich auf Anhieb fasziniert gewesen war, als ich sie vor einiger Zeit das erste Mal gelesen hatte. So, wie Otto Ernst die Strapazen und die Gefahr für das Leben der Retter in seiner Ballade aus dem Jahre 1901 geschildert hat, wenn sie vor rund 150 Jahren bis in die Jahre zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder mit hölzernen Ruderbooten hinausfuhren, um das Leben in Seenot geratener Menschen zu retten, wird die ständige Angst ihrer an Land zurückgebliebenen Familien quasi "hautnah" greifbar.

So in etwa muss wohl auch der deutsche Rockmusiker Achim Reichel empfunden haben, als er auf seiner Internetseite schrieb (Zitat):
.. Und das Vorurteil den "Alten" gegenüber, die hätten reine Textkunst betrieben, so dass der Normalsterbliche nichts mehr versteht, trifft eben überhaupt nicht zu. Da gibt es Texte, die lassen Bilder in Dir entstehen – das grenzt an Zauberei. ..

Der Hauptsitz der am 29. Mai 1865 in Kiel gegründeten "Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger" befindet sich in Bremen. Ihr erster Vorsitzender war der Bremer Kaufmann und Gründer des Norddeutschen Lloyd, Konsul Hermann Henrich Meier, nach dem der von 1960 bis 1985 in Bremerhaven stationierte Seenotkreuzer "H. H. Meier" benannt war. Die nach ihrer Außerdienststellung in "Theodor Heuss" umbenannte "H. H. Meier" ist heute als "erster echter deutscher Seenotkreuzer" im Deutschen Museum in München ausgestellt.


Spuren in Bremerhaven: Historischer Bootsschuppen der DGzRS von 1917 ...
Zur Zeit der Gründung der DGzRS waren die offenen Ruderboote an Land untergebracht und mussten vor jeden Einsatz zuerst zu Wasser gelassen werden. Das war auch noch so, als ab 1911 die ersten Rettungsboote mit Motoren ausgerüstet wurden. Aus dieser Periode stammt der Bootsschuppen der DGzRS in Bremerhaven, der im Jahre 1917 im Bereich vor der damaligen Schleuse zum Alten Hafen errichtet worden war. Die Schleuse ist nur wenige Jahre später zugeschüttet worden. Das bis 1973 im DGzRS-Schuppen untergebrachte Rettungsboot war auf einem Trailer gelagert, mit dem es auf Schienen aus dem Schuppen an die Kaje gefahren werden und zu Wasser gelassen werden konnte.


... und Schienenfragmente auf der Kaimauer (ehem. Schleusenzufahrt Alter Hafen)
Von den Schienen für den Bootstrailer ist nur noch ein leicht zu übersehendes Fragment auf der alten Krone der Kaimauer erhalten geblieben. Der Schuppen dient heute als Materiallager für den Seenotkreuzer "Hermann Rudolf Meyer".


Die Tragödie der "Adolph Bermpohl"

Trotz der modernen Seenotkreuzer, die so konstruiert sind, dass sie sich nach einem Kentern selbsttätig wieder aufrichten und trotz aller heute verfügbaren technischen Hilfsmittel ist der Einsatz der Besatzungen der DGzRS auch heute noch mit einem hohen Risiko verbunden. Beispielhaft dafür steht der tragische Unfall des Seenotkreuzers "Adolph Bermpohl" vom 23. Februar 1967, der nach einem Rettungseinsatz mit laufender, aber ausgekoppelter Maschine in der Nordsee treibend aufgefunden wurde. Von den Besatzungsmitgliedern der "Adolph Bermpohl" und des havarierten niederländischen Fischkutters "Burgemeester van Kampen", die bereits vom Tochterboot "Adolph Bermpohl" geborgen worden waren, fehlte jede Spur.

Anhand von Indizien geht man davon aus, dass im Moment der Bergung der Kutterbesatzung eine schwere Grundsee die Fahrzeuge getroffen und dabei den Seenotkreuzer umgeworfen hat, der dann mit einer 360-Grad-Drehung durchkenterte. Vermutlich befanden sich zum Zeitpunkt des Unglücks alle Beteiligten an Deck und wurden ins Wasser gerissen.


Achim Reichel: "Nis Randers" (Album "Regenballade", 1987)

Mit der Taufe ihres 1990 auf der Schweers-Werft in Bardenfleth fertiggestellten Seenotkreuzers auf den Namen "Nis Randers" würdigte die "Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger" (DGzRS) das literarische Denkmal, das Otto Ernst den Seenotrettern mit seiner Ballade gesetzt hat.

1978 hat Achim Reichel den Text der Ballade von Otto Ernst vertont und auf dem Album "Regenballade" veröffentlicht. Zusammen mit einem Zusammenschnitt aus Videosequenzen der DGzRS ist das Lied sowohl auf seiner Internetseite, wie auch im YouTube-Kanal der DGzRS zu hören.


(Quellen: DGzRS, Wikipedia, Achim Reichel, YouTube)

2 Kommentare:

Weserkrabbe hat gesagt…

Super Artikel lieber Jürgen und auch die Aufnahmen mit der "Neuen" sind doch klasse geworden. Das Gedicht ist für mich eines der schönsten und ich liebe es sehr. Auch die Version von Achim Reichel gefällt mir.
lieben Gruß
Brigitte

juwi hat gesagt…

@Brigitte: Eigentlich war die "Alte" gerade erst fünf Jahre alt und war mir bis dahin immer ein treuer Begleiter. Allerdings ist die "Neue" doch wieder ein technischer und optischer Quantensprung. Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis ich alle Möglichkeiten voll ausreizen kann, die sie mir bietet. - Trotzdem trauere ich der "Alten" immer noch nach und hoffe, dass die "Neue" etwas länger halten wird.

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