Donnerstag, 4. Juli 2013

"Whistleblower" verdienen unseren Schutz

Schutz für Edward Snowden in Deutschland!

Seit seiner Veröffentlichung der Praktiken und des Umfangs der globalen Spionage- und Bespitzelungsaktivitäten der USA (NSA) und Großbritaniens (GCHQ) befindet sich Herr Snowden auf der Flucht vor dem Zugriff des US-Behörden. Da die USA seine Reisepapiere für ungültig erklärt haben, sitzt er seit einigen Tagen im Transitbereich des Moskauer Flughafens fest. Von dort aus hat er in mehreren Staaten Asyl beantragt, unter anderem auch in Bolivien.

Die Bundesregierung hat den Asylantrag Herrn Snowdens abgelehnt. Zur Begründung hieß es, Anträge auf Asyl in Deutschland könnten nur in Deutschland gestellt werden - fragt sich nur, wie Herr Snowden das, ohne die Möglichkeit Moskau verlassen zu können, bewerkstelligen sollte.

Nach §22 des Aufenthaltsgesetzes könnte die Bundesregierung Herrn Snowden jedoch durchaus auch außerhalb des normalen Asylverfahrens einen sicheren Aufenthalt in Deutschland gewähren.  Das Gesetz ermöglicht es nämlich, Menschen  in Deutschland aufzunehmen, wenn dies der Wahrung der "politischen Interessen" der Bundesrepublik dient - und dass die politischen Interessen infolge der von Herrn Snowden aufgedeckten Spionage-Aktivitäten massiv verletzt worden sind, lässt sich ja wohl kaum von der Hand weisen!

Als wenn die fadenscheinige Begründung für die Ablehnung des Asyl-Antrags Herrn Snowdens dürch die Bundesregierung nicht schon haarsträubend genug wäre, haben Spanien, Frankreich, Italien und Portugal es tatsächlich geschafft, den politisch-diplomatischen Irssinn noch zu toppen: Die vier EU-Staaten sperrten ihren Luftraum für das Flugzeug Herr Morales (Bolivien, Präsident), als dieser sich nach einem Besuch in Moskau auf dem Flug zurück in seine Heimat befand. Dadurch war er gezwungen, in Wien zu landen.
  • Es hätte ja möglich sein können, dass Herr Morales dem Antrag Herrn Snowdens stattgegeben und ihm einen Platz in seiner Maschine angeboten hätte. Ob Italien, Frankreich, Spanien und Portugal aber aus eigenem Antrieb gehandelt haben, sei einmal dahingestellt.
Sicherlich sehr zum Ärger der US-Regierung war Herr Snowden jedoch nicht an Bord des Flugzeugs.


Ein diplomatischer Scherbenhaufen

Die Folge dieser dreisten Verletzung der diplomatischen Immunität des Präsidenten Boliviens ist ein weiterer diplomatischer Scherbenhaufen, der sich wohl kaum so einfach beiseite kehren lassen wird.

Zum einen hat es zumindest den Anschein, als hätten vier Staaten Europas dem "Großen Bruder" in den Vereinigten Staaten von Amerika vorauseilend Gehorsam leisten wollen. Einem Bericht der östereichischen Zeitung "Der Standard" vom 04.07.2013 ist zu entnehmen, dass der Botschafter Spaniens in Österreich sich in dieser Angelegenheit wohl besonders hervortun wollte. Er habe gefragt, ob er wohl mit dem bolivianischen Präsidenten einen Kaffee in dessen Flugzeug trinken könnte - um bei der Gelegenheit diskret nach Herrn Snowden Ausschau halten zu können. - Mit Ruhm bekleckert hat er sich dabei allerdings nicht wirklich.

Zum anderen wurde nach der Durchsuchung des Flugzeugs durch die Flughafenpolizei in Wien endgültig klar, dass die Beweislage dafür, dass Herr Snowden sich an Bord des Flugzeugs Herrn Morales befände, offensichtlich mehr als dürftig gewesen war. Hinzu kommt jetzt noch, dass dem Bericht des Standards zufolge der UN-Vertreter Boliviens gedroht hat, Österreich wegen dessen Rolle im Zusammenhang mit der Durchsuchung des Präsidentenflugzeugs zu verklagen und die "Neue Züricher Zeitung" schreibt, Bolivien habe bei der Uno und beim Uno-Hochkommissariat für Menschenrechte Klage gegen Frankreich, Spanien, Italien und Portugal eingereicht.

Auch in anderen lateinamerikanischen Ländern ist die Empörung groß. "Die Zeit" zitiert beispielsweise Frau Fernández (Argentinien, Präsidentin) mit den Worten (Zitat): "Das ist eine Demütigung einer Schwesternation und des südamerikanischen Kontinents." Die Umleitung des Flugzeugs sei ein "Überrest des Kolonialismus, den wir glaubten komplett überwunden zu haben".


Appell an die Bundesregierung:
Whistleblower verdienen unseren Schutz

In meinem Artikel vom 14.06.2013 hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass wir auch weiterhin auf Menschen wie Herrn Bradley Manning oder Herrn Edward Snowden angewiesen sein werden, damit wir die Wahrheit über die hinterhältigen Machenschaften der Politik und deren Handlanger erfahren. Nur wer darüber informiert ist, was hinter seinem Rücken vor sich geht, kann sich dagegen zur Wehr setzen. Deshalb verdienen Menschen wie Herr Manning oder Herr Snowden unsere Unterstützung und Solidarität. Das demokratische Netzwerk "Campact" beleuchtet den Sachverhalt in seiner "5-Minuten-Info" zum Thema noch etwas ausführlicher und bringt ihn dann auf den Punkt (Zitat):
Bei der Frage, ob Edward Snowden eine sichere Zuflucht in Deutschland erhält, geht es nicht nur um diese eine Person. Es geht um unsere Freiheit. Denn wenn Snowden in westlichen Demokratien keinen Schutz erhält, welcher Hinweisgeber wird dann künftig noch die Öffentlichkeit darüber informieren, wenn Ämter, Firmen oder Geheimdienste unsere Grundrechte grob missachten? Der Fall Snowden ist deshalb Anlass für uns, so genannte Whistleblower besser zu schützen. Ganz egal ob sie Missstände in Unternehmen, Behörden oder Nachrichtendiensten aufdecken. ..

.. Snowden mag gegen Gesetze der USA verstoßen haben, aber er hat sich um die Freiheit und die Bürgerrechte von uns allen verdient gemacht. Mehrere deutsche Staatsanwaltschaften ermitteln bereits gegen NSA und GCHQ wegen des Verdachts auf millionenfache Verstöße gegen deutsches Recht, auf die mehrjährige Haftstrafen stehen. Ohne Snowden wüssten wir nicht, in welchem Ausmaß wir überwacht und bespitzelt werden. Durch die von ihm angestoßene Debatte besteht zumindest eine Chance, die verloren gegangene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit wiederherzustellen. Dafür hat er unseren Schutz verdient.

Doch es geht nicht nur um Edward Snowden. Ob in der Lebensmittelproduktion, in Pflegeheimen, bei illegalen Rüstungsexporten, Umweltverschmutzung oder gar Kriegsverbrechen: Viele große Skandale kamen nur durch sogenannte „Whistleblower“ ans Licht der Öffentlichkeit. Menschen wie Bradley Manning („Wikileaks“), Daniel Ellsberg und viele andere haben ihren Job, ihre Karriere, ihre Freiheit und in vielen Fällen sogar ihr Leben riskiert, um die Öffentlichkeit über Missstände zu informieren.

Solche Menschen brauchen Schutz. Denn es liegt im Interesse von uns allen, wenn solche Skandale ans Licht kommen. Im Bundestag wurde erst kürzlich über einen besseren Schutz von Whistleblowern beraten, doch die schwarz-gelbe Koalition hat alle Vorstöße abgelehnt. Und das obwohl sie sich laut dem Antikorruptions-Aktionsplan der G20-Staaten bis Ende 2012 zu besserem Whistleblower-Schutz verpflichtet hatte.

Whistleblower, die sich an eine Behörde, die Presse oder eine Nichtregierungsorganisation (NGO) wenden, um auf Missstände hinzuweisen, müssen durch ein Whistleblower-Gesetz geschützt werden. Dies fordern wir in unserem Appell.

Der von Campact initiierte Appell hat folgenden Wortlaut:
Zuflucht für Edward Snowden – Whistleblower schützen

Durch Edward Snowden haben wir erfahren, in welch gigantischem Ausmaß wir von Geheimdiensten ausspioniert werden. Auf der Flucht vor den US-Behörden hat Snowden Deutschland um Beistand gebeten.

Wir fordern von der Bundesregierung:

- Schützen Sie Edward Snowden durch eine vom Asylverfahren unabhängige Aufenthaltserlaubnis und mit einem Zeugenschutzprogramm.

- Sorgen Sie dafür, dass Hinweisgeber in Deutschland durch ein Whistleblower-Gesetz besser abgesichert werden.

Wir brauchen Menschen wie Edward Snowden, um Verstöße gegen Bürgerrechte und Missstände bei den Geheimdiensten ans Licht zu bringen.

Wer sich dem Appell anschließen möchte, kann ihn auf der Internetseite von Campact online unterzeichnen.



(Quellen: Der Standard vom 04.07.2013, Neue Züricher Zeitung vom 04.07.2013, Der Spiegel vom 04.07.2013 - Bericht 1 - Bericht 2, Der Stern vom 04.07.2013, Die Zeit vom 04.07.2013, Süddeutsche Zeitung vom 04.07.2013 - Bericht 1 - Bericht 2, Frankfurter Rundschau vom 04.07.2013, Frankfurter Neue Presse vom 04.07.2013, Tagesschau vom 04.07.2013, Deutschlandradio vom 04.07.2013 - Bericht 1 - Bericht 2 - Bericht 3, Frankfurter Neue Presse vom 03.07.2013, Der Spiegel vom 03.07.2013, Deutsche Welle vom 03.07.2013, Deutschlandradio vom 03.07.2013, Handelsblatt vom 03.07.2013 - Bericht 1 - Bericht 2, Tagesschau vom 03.07.2013, Nachdenkseiten vom 03.07.2013, Der Spiegel vom 02.07.2013 und vom 30.06.2013, The Guardian vom 11.06.2013 und vom 21.06.2013 [engl.], Campact - Hintergründe - FAQ, Deutscher Bundestag, Whistleblower Netzwerk - Elemente bestmöglichen gesetzlichen Whistleblowerschutzes - Gesetz zum Schutz öffentlicher Interessen durch Förderung und Schutz von Hinweisgebern (Whistleblowing-Gesetz) - Empfohlene Grundsätze für Whistleblowing Gesetzgebung, Wikipedia)

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