ZDF heute vom 23.02.2012
Das ZDF berichtete in seiner Nachrichtensendung "heute" vom 23.02.2012, Wissenschaftler des Hamburger Max Planck Instututs hätten mit ihren neuesten Forschungen zum Klimawandel herausgefunden, dass sich die schlimmsten Auswirkungen der drohenden Klimakatastrophe noch verhindern ließen.
Was sich in dem Fernsehbericht des ZDF zunächst wie eine sensationelle neue Erkenntnis anhörte, ist eigentlich alles schon seit fünf Jahren aus dem letzten Weltklimareport des "Intergovernmental Panel on Climate Change" (IPCC, Zwischenstaatlicher Ausschuss für Klimaänderungen) bekannt. In dem Bericht kam in einem Interview auch Herr Marotzke (Max Planck Institut für Meteorologie, Hamburg, Direktor) zu Wort. Er versetzte der guten Meldung der "heute" Nachrichten gleich einen kräftigen Dämpfer. Wenn es gelingen soll, die globale Katastrophe noch abzuwende, dann müsse der Anstieg der mittleren globalen Temperatur unterhalb der im IPCC-Klimareport 2007 genannten "plus 2 Grad" Marke zum Stillstand gebracht und stabilisiert werden.
In dem Interview wurde allerdings nicht angesprochen, dass die globale Temperatur seit dem bereits um ca. knapp ein Grad angestiegen ist. Das geht aus einem Beitrag des deutschlandfunks vom 24.02.2012 hervor. Demnach ist der verbleibende Spielraum zum Erreichen des "maximal plus 2 Grad" Ziels also bereits auf höchstens ein einziges weiteres Grad geschrumpft. Nach der Simulation des Max Planck Instituts auf Grundlage der ungünstigsten zu erwartenden Bedingungen würde die mittlere globale Temperatur bis zum Ende des Jahrhunderts um 4 Grad ansteigen. Nur die Simulation, der die günstigsten zu erwartenden Bedingungenzugrunde liegen, zeige, dass sich das Ziel noch erreichen ließe.
Wie Herr Marotzke in dem Fernsehbericht der ZDF-heute Nachrichten klarstellt, müssten dafür die Kohlendioxid (CO2) Emissionen aus fossilen Quellen (Kohle, Erdöl, Erdgas) bis zum Jahre 2020 ihr Maximum erreicht haben und dann bis zum Ende des Jahrhunderts auf weniger als 10 Prozent der Emissionen zurückgehen, die im Jahre 2000 in die Atmosphäre gelangten. Das aber könne nur dann noch gelingen, wenn umgehend weltweit geeignete Maßnahmen zur drastischen Reduzierung der CO2-Emissionen ergriffen werden. Der Kommentator des Fernsehberichts brachte es auf den Punkt (Zitat): "Nur acht Jahre haben wir als noch Zeit, die Schornsteine und Auspuffrohre zu stopfen. Danach kann man das 'zwei Grad Ziel' vergessen".
Auch die Erkenntnis, dass mit jedem Jahr, das ungenutzt verstreichen wird, die notwendigen Maßnahmen drastischer ausfallen müssen, um das Ziel noch zu erreichen, ist keinesfalls neu. Und je länger es noch dauert, bis endlich weltweit gehandelt wird, desto schmerzhafter werden die Folgen der Maßnahmen für alle Menschen auf der Welt zu spüren sein. Recht anschaulich dargestellt ist dieser Effekt in einem Liniendiagramm im Beitrag "Wieviel CO2 ist zuviel?" im Blog "KlimaLouge" von Stefan Rahmstorf (Abb. 2: Beispiele für lineare Emissionsreduktion beginnend in unterschiedlichen Anfangsjahren ... )
Warnungen wurden ignoriert
Der ZDF-heute Bericht ging auch noch einmal auf den dramatischen Rückgang der Eises im Nordpolarmeer und den Anstieg des Meeresspiegels ein. In der Vergangenheit sei das Licht der Sonne vom weißen Eis ungebrochen zurück ins Weltall reflektiert worden. Die dunklen, jetzt nicht mehr vom Eis bedeckten Flächen freien Wassers brechen das einfallende Licht. Anstelle des ursprünglich eingefallenen kurzwelligen Lichts reflektiert die dunklere Meeresoberfläche jetzt langwellige Wärmestrahlung, die von den klimarelevanten Gasen in der Athmosphäre zurück zur Erdoberfläche reflektiert wird. Dadurch nimmt die globale Temperatur weiter zu. Der Klimawandel verstärke sich selbst.
Die physikalischen Abläufe in der Athmosphäre, die dafür sorgen, dass ein Teil des einfallenden Sonnenlichts in Form von Wärmestrahlung in der Athmosphäre zurückgehalten wird, und so für Temperaturen auf unserem Planeten sorgen, die das Leben erst möglich machen, waren bereits zwanzig Jahre vorher bekannt. Aufgrund des von Menschheit zusätzlich aus fossilen Quellen in die Athmoshäre eingebrachten Kohlendioxids ist dessen Konzentration dort immer mehr angestiegen. Der CO2-Haushalt unseres Planeten ist aus dem Gleichgewicht geraten.
Seit gut einem viertel Jahrhundert warnen die Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern vor den Folgen des auch damals schon absehbaren Klimawandels. Schon vor 25 Jahren hätten Maßnahmen dagegen ergriffen werden müssen. In all den Jahren ist jedoch nichts zur Eindämmung der globalen Erwärmung unternommen worden. Im Gegenteil: Die CO2-Emissionen haben seitdem Jahr für Jahr weiter zugenommen. Die ersten Folgen dieser weltweiten Ignoranz bekommen wir heute bereits zu spüren.
Den Klimakillern zum Trotz
Es nützt nichts, wenn einige Staaten alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um den Anstieg der mittleren globalen Temperatur aufzuhalten, wenn die größten Emitenten klimarelevanter Gase diese physikalischen Gesetzmäßigkeiten weiterhin ignorieren. Solange Länder wie die USA noch ungebremst große Mengen fossiler Rohstoffe verfeuern, werden sie damit den Klimawandel beschleunigt vorantreiben.
Es nützt aber auch nichts, wenn der Rest der Welt darauf wartet, dass die Klimakiller, allen voran die USA, vielleicht irgendwann endlich einmal aufwachen, und selbst erkennen, dass sie auf dem besten Wege sind, die Lebensgrundlagen auf der Erde für die nachfolgenden Generationen zu vernichten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Herrn Bush (USA, Republikaner, ehemaliger Präsident) ist sich Herr Obama (USA, Demokraten, Präsident) der Schuld seines Landes am Klimawandel durchaus bewusst. Er hatte seine Präsidentschaft daher unter anderem mit dem Ziel angetreten, dass sein Land sich dem Kampf der Menschheit gegen die drohende globale Klimakatastrophe anschließen würde. Die Lobby der Erdölkonzerne in Verbindung mit seinen innenpolitischen Gegnern in den Reihen der Republikaner haben das jedoch erfolgreich verhindern können.
Um zumindest zu versuchen, das schlimmste noch zu verhindern, müssen alle anderen Staaten weiterhin daran arbeiten, den Anstieg der CO2-Konzentration in der Athmosphäre zu reduzieren und zum Stillstand zu bringen. Gleichzeitig müssen sie alles in ihrer Macht stehende unternehmen, um die Regierungen der Länder, die sich bisher verweigert haben, davon zu überzeugen, sich ihrem Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel anzuschließen. Die Staaten, denen es gelingt, ihre Energieversorgung auf die Nutzung regenerativer Energiequellen unzustellen, werden mittel und langfristig die Nase vorn haben. Die Resourcen unseres Planeten an fossilen Rohstoffen oder Uran sind endlich. Je knapper diese Resourcen werden, desto mehr werden die Preise dafür ansteigen. Und: Je mehr davon noch ausgebeutet und verheizt wird, desto teurer wird die Raffgier der heute lebenden Generatonen den nachfolgende Generationen der Menschheit zus stehen kommen. Energie aus Sonne, Wasser, Wind oder nachwachsenden Rohstoffen wird jedoch immer zur Verfügung stehen.
Politik - Wider besseres Wissen
Nach der Veröffentlichung des IPCC Klimareports 2007 schien es so, als hätte Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) die Zeichen der Zeit erkannt. Als Physikerin dürfte ihr das eigentlich auch nicht schwer gefallen sein. Jedenfalls hatte sie damals meine volle Zustimmung bezüglich der von ihr aufgezählten Maßnahmen, die weltweit und umgehend gegen den Klimawandel hätten in die Wege geleitet werden müssen.
Von ihrer Liste ist nicht mehr viel übrig geblieben. Unter dem Einfluss diverser Lobbys aus Industrie und Wirtschaft schmolz sie schneller dahin, als das Eis im Nordpolarmeer.
Damit auch noch die letzten fossilen Energieträger ausgebeutet und vermeintlich ungestraft verheizt werden können, hat sich die Bundesregierung die blöde Idee aufschwatzen lassen, das dabei entstehende CO2 unter Druck in unterirdische Gesteinsformationen zu quetschen, um es dort zwischenzulagern. Sie nennen das zwar Endlager, aber niemand soll mir erzählen, er könne dafür garantieren, dass die Erde in Kooperation mit uns Menschen darauf verzichten würde, ihre geologischen Aktivitäten an genau den Stellen, an denen das CO2 eingelagert sein würde, für alle Ewigkeit einzustellen.
Nirgendwo auf unserem Planeten gibt es einen Ort für ein "End"-Lager, an dem der von uns produzierte Müll garantiert bis in die Ewigkeit so von der Biosphäre isoliert werden könnte, dass er keine Gefahr mehr für das Leben und die Gesundheit unserer Nachkommen darstellen würde. - Das gilt ebenso für das von uns bei der Verbrennung fossiler Rohstoffe freigesetzte CO2, wie auch für unseren Atommüll!
Daher ist es dringend erforderlich, die Energiewende voranzutreiben. Die Bundesregierung handelt diesbezüglich - entgegen ihrer eigenen Bekundungen - allerdings eher zögerlich. Anstatt vollständig auf den beschleunigten Ausbau einer dezentralen Stromerzeugung auf Grundlage regenerativer Energiequellen und auf die vorhandenen Einsparpotentiale beim Stromverbrauch zu setzten, behindert sie die dafür notwendigen Maßnahmen, indem sie den Energiekonzernen unterirdische CO2-Lager für ihre fossilen Großkraftwerke sowie die Genehmigung für neue Kohlekraftwerke in Aussicht stellt und außerdem auf grob fahrlässige Weise den Atomausstieg verzögert.
Gleichzeitig bremst die Bundesregierung gerade den bisher erfreulich wachsenden Anteil dezentraler regenerativer Stromerzeuger in Form von Photovoltaik-Anlagen auf privaten Hausdächern indem sie die dafür notwendigen Anreize in Form von Zuschüssen für die Installation solcher Anlagen rigoros zusammenstreicht. Und wieder einmal ist es die FDP, die bei der Mehrheit der Bundesbürger keinerlei Rückhalt für ihre Forderungen mehr hat, die Herrn Röttgen (CDU, Bundeumweltminister) an der Nase herumführt. Es ist noch gar nicht lange her, Ende Januar ist das gewesen, da hatte Herr Röttgen den Forderungen Herrn Röslers noch eine klare Absage erteilt.
Jetzt sind es die Bürger, die den beiden Herren (auch Herrn Röttgen!) eine klare Absage erteilen. Einer nichtrepräsentaven Umfrage der ARD zufolge hält eine klare Mehrheit von knapp 80 Prozent der abgegebenen Stimmen die Einschnitte bei der Solarförderung, die jetzt früher kommen und stärker ausfallen als bislang geplant, für falsch.
Zuvor hatte die Bundesregierung mit der Änderung des "Erneuerbare Energien Gesetzes" (EEG) schon die Befreiung von der EEG-Umlage zur Förderung der erneuerbaren Energien für Anbieter, die mehr als 50 Prozent von kleinen und mittelständischen Erzeugern beziehen, auf 2 Cent pro Kilowattstunde begrenzt. Darüber hatte ich am 27. Januar schon einmal etwas geschrieben.
Wenn die Bundesregierung so weitermacht wie bisher, dann wird Deutschland seine ohnehin schon recht knapp bemessenen Ziele im Kampf gegen den Klimawandel nicht erreichen. Anstatt das Aussterbenden der fossilen Kraftwerksdinosaurier und Atommüll-Produktionsanlagen der vier großen Energiekonzerne mit offenen und verteckten Subventionen künstlich hinauszuzögern, wäre das dafür verschwendete Geld sinnvoller investiert, wenn damit die vielen kleinen Initiativen von Privatleuten und Kommunen für den Umbau der Energieversorgung in Deutschland unterstützt werden würden.
Wenn auch die Möglichkeiten jedes Einzelnen von uns beschränkt sind, so haben wir doch einige Möglichkeiten, dem Quasi-Monopol der vier großen Energiekonzerne etwas entgegenzusetzen. Jeder von uns kann nämlich frei wählen, welchen Stromanbieter er für den Strom bezahlen will, den er verbraucht. Neben vielen Anbietern, die zwar keinen Atomstrom beziehen, dafür aber immer noch - zum Teil versteckt unter dem Deckmantel von CO2-Zertifikaten - Strom aus Kohlekraftwerken in ihrem Energiemix haben, gibt es vier Anbieter, mit deren Energiemix ausschließlich Strom aus regenerativen Energiequellen finanziert wird. Ein kleiner Anteil des Strompreises investieren diese Anbieter in die Installation neuer kleiner, dezentraler Anlagen zur Nutzung regenerativer Energiequellen. Mehr darüber kann man hier nachlesen:
- "Es ist für mich ein ziemliches Rätsel, warum Leute, die ganz offenkundig vom Klimageschehen nichts verstehen, so sicher zu sein glauben, dass der Klimawandel nicht stattfindet."
Jochem Marotzke
(Max Planck Institut für Meteorologie, Hamburg, Direktor)
ZDF heute vom 23.02.2011
- ".. Der jetzt vorgestellte rasante und radikale Umbau der Solarförderung ist de facto ein Ausstieg. Eine Kürzung von 20 bis 30 Prozent innerhalb von zwei Wochen trifft nicht nur jene Hausbesitzer und Investoren hart, die gerade eine Anlage installieren. Deren Kalkulation schmilzt nun wie Butter in der Sonne dahin. Die Anti-Solar-Koalition schlägt auch einer ganzen Branche ins Gesicht, die in den vergangenen Jahren einen enormen Beitrag zur Sicherung einer CO2-freien, dezentralen und preiswerten Energieversorgung geleistet hat.
.. Die einzigen, die von dieser Entscheidung profitieren, sind RWE, E.ON, Vattenfall und Co.. Denn deren Großkraftwerke - ob mit Atom, Kohle oder Gas betrieben, verloren mit jeder neuen Solaranlage an Wert, weil das Gesetz über Erneuerbare Energien unter anderem vorschreibt, dass Wind- und Solarstrom Vorrang vor konventionellem Strom haben. Der Wertverfall und damit der Machtverlust der Energieriesen soll aufgehalten werden. Das ist wohl das eigentliche Motiv für Röslers und Röttgens "Energiewende rückwärts". Aber zum Glück haben energiepolitische Entscheidungen der schwarz-gelben Regierung manchmal eine recht kurze Halbwertzeit."
Jürgen Döschner
(WDR, ARD-Energieexperte)
ARD-Tagesschau vom 23.02.2012,
Kommentar zum "Solar-Kompromiss"
(Quellen: Tagesschau vom 23.02.2012, ZDF-heute vom 23.02.2012, Deutschlandradio vom 24.02.2012, KlimaLounge vom 29.04.2009)
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