Gestern gingen in 150 Ländern tausende Menschen auf die Straße, um gegen das umstrittene Handelsabkommen ACTA zu demonstrieren. Bereits am Tag zuvor hatte die Bundesregierung verkündet, sie werde das Abkommen "vorerst" nicht unterzeichnen.
Das Computer-Fachmagazin CHIP berichtete daraufhin in einem Artikel vom 10.02.2012, aus Regierungskreisen habe es geheißen, eine Unterzeichnung des Abkommens sei ohnehin nicht nötig. Alle relevanten Forderungen seien in Deutschland längst Gesetz. So sei das unberechtigte Kopieren urheberrechtlich geschützter Werke in Deutschland bereits seit 1966 strafbar.
Kritisiert wird auf politischer Ebene vor allem auch, das die Verhandlungen über das Abkommen im Geheimen und ohne die notwendige Transparentz stattgefunden haben. Herr Schulz (FDP, Bundestagsabgeordneter) habe gesagt, das sei inakzeptabel.
Auf den Punkt brachte es die "Zeit" in einem Artikel vom 10.02.2012 (Zitat): "Politiker, die Regeln für das Internet unter sich ausmachen, haben Protest verdient." Sie seien so vorgegangen, als hätten sie im politischen Lehrbuch unter "Wie mache ich aus meinen Bürgern ein paar anständige Wutbürger?" nachgeschlagen. Wörtlich heißt es in der "Zeit" (Zitat): ".. Wer Menschen ignoriert, schätzt sie gering und macht sie eben – wütend. .."
Und weiter (Zitat): ".. Dass Acta am Ende scheitert, ist wahrscheinlich, weil nicht nur Netzaktivisten außen vor blieben, sondern es manchen Politikern nicht viel besser erging, beispielsweise den Parlamentariern in Straßburg. .." Wer versuche, "nicht" zu kommunizieren, der müsse mit einem solchen Ergebnis rechnen.
Ich mag diesbezüglich bisher noch keine Prognosen abgeben. Der Kritik in der "Zeit" stimme ich jedoch zu. Darüberhinaus halte ich den Titel des Abkommens (ACTA steht für "Anti-Counterfeiting Trade Agreement", "Handelsabkommen gegen Produktpiraterie") für einen dreisten Etikettenschwindel. Wer ein internationales Abkommen gegen Urheberrechtsverletzungen will, der soll es gefälligst auch so nennen. Deshalb müssten die Politiker, wenn ihre Kritik bezüglich der Intranzparenz ernst gemeint ist, "ACTA" nach der vorläufigen Absage jetzt auch endgültig ad acta legen.
Die Schaffung wirksamer Rechtsgrundlagen für die internationale Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen sind sicher ebenso notwendig wie solche, die eine internationale Verfolgung von Produktpiraterie ermöglichen würden. Die Spam-Filter sortieren weltweit Tag für Tag mehr als genug E-Mails mit entsprechenden Replikat-Angeboten aus. Davon kann sicher jeder von uns ein Lied singen.
Wenn ein solches Abkommen gegen Urheberrechtsverletzungen aber darüberhinaus der Zensur im Internet Tür und Tor öffnen würde, dann würde es allerdings auf den scharfen Widerstand der Bürger in vielen Ländern der Welt stoßen. Ebenso würde aber auch ein Gesetz gegen Produktpiraterie auf erheblichen Widerstand stoßen, wenn es zum Beispiel einem großen Pharmakonzern die Möglichkeit gäbe, den Verkauf eines preisgünstigen Medikaments gegen eine zum Beispiel in Entwicklungsländern typische Krankheit eines anderen Herstellers zu verbieten, nur weil dieses vielleicht zufällig die gleichen Wirkstoffe enhält, wie ein teures Medikament des großen Pharmakonzerns.
(Quellen: Tagesschau vom 12.02.2012 und vom 11.02.2012, Süddeutsche Zeitung vom 11.02.2012, FAZ vom 11.02.2012 , Die Zeit vom 11.02.2012 und vom 10.02.2012, Chip vom 10.02.2012)
1 Kommentar:
Hallo Jürgen,
ACTA adé? Es ist gut, dass es das Internet gibt. So kann ein "Geheim-Abkommen" weltweit an den Pranger gestellt werden. Es ist im Grunde fünf vor zwölf, damit ACTA in den virtuellen Papierkorb kommt.
Tschüss
Holger
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