Donnerstag, 11. Juni 2015

TTIP: Laute Auseinandersetzungen im EU-Parlament


EU-Parlament sagt TTIP-Debatte ab - Tumult im EU-Parlament (Tagesschau vom 10.06.2015)

In einem Filmbeitrag der Tagesschau der ARD war gestern Abend zu sehen und zu hören, wie Herr Weber (CSU, Europäischen Volkspartei, Fraktionsvorsitzender) sagte (Zitat): "Mir macht es Angst, wenn ich sehe, wie die Links- und die Rechtsradikalen hier im Haus sich gegenseitig in Rage reden und die Grünen an der Seite dieser Leute stehen."

Die Antwort der Grünen folgte promt. Frau Harms (Die Grünen, Fraktionsvorsitzende) entgegnete (Zitat): "Wenn jetzt jeder, der kritisch ist gegen private Schiedsgerichte, an den Pranger gestellt wird als links und rechtsradikal, dann frage ich mich, was wir für eine Basis der Zusammenarbeit haben."

Diese und weitere tumultartige Szenen gab es gestern Morgen im Plenum des EU-Parlaments, nachdem die Christdemokraten, Konservativen und Liberalen Mit einer Mehrheit von 183 gegen 181 Stimmen die vorgesehene Debatte zum Thema TTIP auf unbestimmte Zeit verschoben hatten.

Der Verein Mehr Demokratie e.V. kommentiert die Vorfälle runs um die Absage der Resulotion und der Debatte des EU-Parlaments in einer Pressemitteilung (Zitat):
.. Die Organisatoren der selbstorganisierte Europäischen Bürgerinitiative "Stop TTIP" haben erfreut auf die Absetzung der TTIP-Abstimmung in der heutigen Sitzung des Europaparlaments reagiert. Ernst-Christoph Stolper, Sprecher der selbstorganisierten Europäischen Bürgerinitiative erklärte hierzu: "Offenbar war sich die große Koalition im Europaparlament ihrer Mehrheit nicht mehr sicher und hat die Reißleine gezogen. Der Protest der europäischen Bürgerinnen und Bürger ist im EP angekommen."

Erst vor wenigen Tagen hatte die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative bekanntgegeben, dass mehr als zwei Millionen Bürgerinnen und Bürger die Initiative mit ihrer Unterschrift unterstützt haben. Zusammen mit vielen nationalen und europäischen Organisationen und Initiativen hatten sich die Organisatoren der Bürgerinitiative in den vergangenen Tagen bei den Abgeordneten dafür eingesetzt, insbesondere eine klare Ablehnung der geplanten Paralleljustiz für Konzerne in die Resolution aufzunehmen und damit die Absicht der Kommission zu durchkreuzen, die Verhandlungen unverändert weiterzuführen. Immer mehr Abgeordnete hatten sich in den vergangenen Tagen einem überparteilichen Änderungsantrag für eine klare Ablehnung der Konzernklagerechte ISDS angeschlossen. Dies hat nun offenbar zur Absetzung der Abstimmung geführt. "Ein ‚Weiter so‘ kann es bei den Verhandlungen nicht geben", erklärte Stolper: "Wir fordern die Europaabgeordneten auf, den Schutz der Bürgerinnen und Bürger ohne Wenn und Aber nach vorn zu stellen und sich dabei keinem Druck zu beugen."

Roland Süß, Sprecher der Europäischen Bürgerinitiative, machte deutlich, was die Bürgerinnen und Bürger vom Europaparlament erwarten: "Wir fordern die Europaabgeordneten auf, sich klar zu positionieren: Gegen privilegierte Konzernklagerechte und eine Aushöhlung demokratischer Verfahren durch regulatorische Kooperation, gegen die Senkung von ökologischen und sozialen Standards und die Privatisierung von öffentlichen Dienstleistungen und Daseinsvorsorge. Dafür wird die selbstorganisierte Bürgerinitiative ‚Stop TTIP‘ weiter kämpfen und Unterschriften sammeln."
..

Darüber, ob die Absetzung der TTIP-Abstimmung in der gestrigen Sitzung des Europaparlaments ein Grund zur Freude ist, kann man sicher geteilter Ansicht sein. Ich habe die Tatsache, dass es im EU-Parlament offenbar keine sichere Mehrheit für den Abbau grundlegender demokratischer Rechte der EU-Bürger und der Regierungen ihrer Länder in Form von "regulatorische Kooperation" und "privaten Schiedsgerichten" gibt, mit Genugtuung zur Kenntnis genommen.

Die Aussetzung der Debatte darüber, halte ich jedoch für einen schweren Fehler. Der notwendigen überparteilichen, demokratischen Auseinandersetzung, wie sie unter Demokraten eigentlich selbstverständlich sein sollte, haben die 183 Abgeordneten des EU-Parlaments, die für die Aussetzung der Debatte gesorgt haben, großen Schaden zugefügt.

Wenn die183 Christdemokraten, Konservativen und Liberalen der Meinung sein sollten, mit der Aussetzung der Debatte könnten sie den quer durch die Fraktionen der Konservativen und der Sozialdemokraten im EU-Parlament verlaufenden Riss in Sachen TTIP vertuschen, dann haben sie sich schwer getäuscht. Besser beraten wären sie gewesen, wenn sie sich in einer offensiven Debatte mit ihren politischen Gegnern darüber ausenandergesetzt hätten. Wie anders sollte es sonst wohl zu einer ehrlichen demokratischen Mehrheitsfindung im EU-Parlament kommen?

"Wenn jetzt jeder, der kritisch ist gegen private Schiedsgerichte, an den Pranger gestellt wird als links und rechtsradikal, dann frage ich mich, was wir für eine Basis der Zusammenarbeit haben."

Rebecca Harms (Die Grünen, Mitglied des EU-Parlaments, Fraktionsvorsitzende) am 10.06.2015 im Plenum des EU-Parlaments


Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA


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