Samstag, 1. Juni 2013

Eine zwar sinnlose, aber doch beachtliche Leistung

Nachdem Herr Wissmann (VDA-Verband der Deutschen Automobilindustrie, Präsident) am 08.05.2013 die "Liebe Angela" in einem Brief um Unterstützung bei der Aufweichung der Emissionsvorgaben der EU gebeten hatte, veröffentlichte "Der Spiegel" am 21.05.2013 dazu einen Kommentar von Herrn Hengstenberg (Spiegel). In seinem Kommentar erläutert er, warum ein Erfolg der Lobby-Aktivitäten des VDA das Schlimmste wäre, was der Automobilindustrie passieren könnte.

Strengere CO2-Grenzwerte seien keine Bedrohung, sondern eine Chance für die deutsche Automobilindustrie. Herr Hengstenberg führt dafür als Beispiel die Formel-1-Rennwagen der kommenden Saison von Ferrari an. Darin komme ein 1,6-Liter-V6-Motor mit Turboaufladung und einem KERS-Hybridsystem (KERS = Kinetisches Energie-Rückgewinnungs-System) zum Einsatz.

Die Entwicklung des Motors sei aufgrund von "Umwelt-Auflagen" der FIA notwendig geworden. Neben der Hubraumverkleinerung und der Zylinderreduzierung werde unter anderem die Durchflussmenge des Benzins auf 100 Kilogramm pro Stunde ab 10500 Umdrehungen pro Minute und die Drehzahl von 18000 auf 15000 Umdrehungen pro Minute begrenzt. Im Vergleich zu den Formel-1-Motoren in der Vergangenheit sei das in etwa so, als würde man einem 100-Meter-Läufer die Luft abdrücken und trotzdem erwarten, dass er Bestzeit läuft.


Sinnlos, aber doch beachtlich

Unter dem Begriff "Durchflussmenge in Kilogramm pro Stunde" kann ich mir nicht viel vorstellen. Ich habe deshalb nach vergleichbaren Werten gesucht und bin unter anderem in einem Artikel der "Die Welt am Sonntag" vom 27.05.2007 fündig geworden. Darin heißt es, dass Formel-1-Rennwagen 75 Liter Treibstoff auf 100 Kilometer verbrauchen. Einem Artikel des Motorsport Magazins zufolge ist für 2014 ein Reduzierung des Treibstoffverbrauchs um rund 35 Prozent vorgesehen.

Wenn man annnimmt, dass der Treibstoffverbrauch der Formel-1 Rennwagen seit 2007 nicht wesentlich zurückgegangen sein wird, dann käme man anhand der beiden Anhaltspunkte in der kommenden Saison rechnerisch etwa auf einen Treibstoffverbrauch von etwa 49 Liter pro 100 Kilometer. Die bisherige Durchflussmenge hätte demnach bei etwa 154 Kilogramm pro Stunde gelegen.

Der "Formel-1 Rennzirkus" ist in meinen Augen ein Relikt aus der Anfangszeit des Automobils, das angesichts des Klimawandels, zu dem das Auto mit seinen CO2-Emissionen maßgeblich beträgt, längst nicht mehr zeitgemäß ist. Auch wenn die CO2-Emissionen des Motorsports, gemessen am Straßenverkehr, sicherlich einen vergleichsweise geringen Anteil haben, würde ich die sinnlose Treibstoff-Verschwendung bei Formel-1 Rennen - trotz der neuen FIA-Vorgaben - nun wirklich nicht als "umweltfreundlich" bezeichnen.

Anerkennenswert wäre daher bestenfalls, dass mit dem - wie Herr Hensgtenberg es ausdrückt - "vermeintlich strangulierten Triebwerk" im Verbund mit dem Hybridsystem trotzdem die gleiche Leistung erzielt wird, wie mit dem "alten Spritschlucker" der aktuellen Saison. So gesehen ist das wohl eine zwar sinnlose, aber zugegebenermaßen immerhin doch beachtliche Leistung der Ferrari-Ingenieure.


Innovation: Druck gegen Bequemlichkeit

Herr Hengstenberg geht davon aus, dass auch Herr Wissmann ohne den Druck der FIA"wohl kaum" freiwillig bereit gewesen wäre, eine solche "Hybrid-Granate" zu konstruieren und folgert daraus: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg." Ohne strenge Vorgaben würde es "nur ein uninspiriertes Vor-sich-hin-Wurschteln" geben.

Mit Bezug auf Entwicklungen der Automobilindustrie weist Herr Hengstenberg Herrn Wissmann darauf hin, dass auch dort in den vergangenen fünf Jahren Einsparungen beim Treibstoffverbrauch erzielt wurden, "wie sonst in kaum einem anderen Jahrzehnt der Automobilgeschichte". Aber auch zu den dafür notwendigen Innovationen wären die Automobilhersteller seiner Ansicht nach freiwillig nie bereit gewesen. Sie seien ausschließlich aufgrund der aktuellen Flottenverbrauchsvorgaben der EU zustande gekommen.

Und genau deshalb sei der Brief Herrn Wissmanns an Frau Merkel "ein großer Irrtum". Wohin dieses "Weiter so" führe, habe man beim Thema "Hybrid gesehen": "Da machte Toyota das Rennen - die Deutschen fahren hinterher." ...

(Der gesamte Kommentar Herrn Hengstenbergs ist hier zu finden.)


(Quellen: Spiegel vom 21.05.2013 - Bericht und Kommentar, Der Westen vom 11.09.2011, Motorsport-Magazin vom 30.06.2011, Welt am Sonntag 27.05.2007)

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