Sonntag, 16. Juni 2013

Ein atompolitischer Scherbenhaufen

Atomkraft? Nein Danke!Mit einem Atommüll-"End"-Lagersuchgesetz soll die sichere Lagerung des Atommülls aus deutscher Produktion für Millonen von Jahre sichergestellt werden. Aber schon eine Einigung darüber, wo der aus der Atommüllaufbereitung noch zurückzunehmende und der zusätzlich noch anfallende Atommüll - außerhalb des Standorts Gorleben - "zwischen"-gelagert werden soll, erweist sich als aussichtslos.

Als die schwarz-gelbe Bundesregierung ihre Absicht zum Neubeginn bei der Suche nach einem geeigneten Atommülllager auf einer "weißen Landkarte" verkündet hatte, war von der Bildung eines neuen gesellschaftlichen Konsens die Rede gewesen. Eine Kommission solle die Eignungskriterien für die über Jahrmillionen sichere Lagerung des hochradioaktiven Atommülls erarbeiten und auf Grundlage dieser Kriterien Vorschläge für geeignete Atommülllager-Standorte unterbreiten. Auf dieser Basis sollte ein "End"-Lagersuchgesetz erarbeitet und verabschiedet werden.

Da die wespenfarbene Bundesregierung darauf bestand, dass der nach Aussage geologischer Gutachten für eine Langzeitlagerung des hochradioaktiven Atommülls ungeeignete Salzstock "Gorleben-Rambow" bei der Suche nach einem Atommülllagerstandort nicht ausgeschlossen wird, war ihre weiße Landkarte von Beginn an mit einem schwarzen Makel versehen.

Und auch mit der Grundlage für einen gesellschaftlichen Konsens ist es nicht weit her. Inzwischen beschränkt sich der Kreis der aktiv Beteiligten auf im Bundestag vertretene Parteien, Regierungen der Bundesländer und die vier in Deutschland aktiven Atomkonzerne. Der wesentliche Teil unserer Gesellschaft, die Bürger, bleiben weitestgehend außen vor.

Mit seiner Absicht, das "End"-Lagersuchgesetz noch vor der Bundestagswahl im September dieses Jahres durch den Bundestag zu boxen, stellt Herr Altmaier (CDU, Bundesumweltminister) den Sinn der Kommission in Frage, die ja eigentlich erst in zwei Jahren die für das Gesetz notwendigen Grundlagen benennen sollte. Das, sowie die - vorsichtig formuliert - ungenügende Einbindung der Bürger in den Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess, führte zur Absage der Teilnahme von Umweltschutzorganisationen und der Organisationen der Anti-Atomkraft-Bewegung am sogenannten Endlager-Forum in Berlin. Mit dieser Veranstaltung hatte das Bundesumweltministerium Anfang Juni 2013 im Nachhinein der Eindruck einer Beteiligung der Bürger an einem offensichtlich bereits im Vorfeld beschlossenen Gesetz erwecken wollen.

Dass die rot-grüne Landesregierung Niedersachsens (SPD und Bündnis '90 /Die Grünen) das Vorpreschen Herrn Altmaiers mit dem Bruch ihres Wahlversprechens, "Gorleben" aus der Liste möglicher Atommülllagerstandorte zu streichen, überhaupt erst möglich machte, muss man inzwischen wohl als atompolitischen Kollateralschaden verbuchen. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass Herr Weil (SPD, Niedersachsen, Ministerpräsident) die Aufnahme weiterer Castor-Behälter mit hochradioaktivem Atommüll in Niedersachsen ablehnt. Mit den Castoren im oberirdischen Atommüll-"Zwischen"-Lager am Standort "Gorleben" habe Niedersachsen sein Soll mehr als erfüllt, argumentiert er.

Ansonsten haben sich bisher nur die Landesregierungen von Baden-Württemberg (Bündnis '90 /Die Grünen und SPD) und die Schleswig-Holstein (SPD und Bündnis '90 /Die Grünen) bereit erklärt, ein "Zwischen"-Lager für die 26 Castoren mit hochradioaktivem Atommüll, die demnächst noch aus den Atommüll-Aufarbeitungsanlagen in Sellafield (Großbritannien) und La Hague (Frankreich) zurückgenommen werden müssen, zur Verfügung zu stellen.

Schleswig-Holstein hat seine Zustimmung jedoch davon abhängig gemacht, dass mindestens noch ein dritter Standort für ein "Zwischen"-Lager in einem Bundesland im Süden Deutschlands benannt wird. Die CDU- bzw. CSU-geführten Landesregierungen Hessens und Bayerns haben jedoch - mit stillschweigender Zustimmung Frau Merkels (CDU, Bundeskanzlerin) - von vorneherein erklärt, ihre Bundesländer kämen als Zwischenlager nicht in Frage. Eine Einigung darüber, wo die 26 Castoren bis zur möglichen Fertigstellung eines geeigneten Atommülllagers gelagert werden sollen, wird deshalb bis irgendwann nach der Bundestagswahl vertagt.

Gespräche Herrn Altmaiers mit den Verantwortlichen der Atomkonzerne führten zu keinem Ergebnis, weil diese auf die Einlagerung weiterer Castorbehälter im "Zwischen"-Lager Gorleben bestanden. Gestern änderten sie ihre Haltung, weil Herr Altmaier ihnen zusagte, die Bürger für die Lagerung der Castoren in Standortlagern von Atomkraftwerken zahlen zu lassen. Diese wurden dazu natürlich wieder nicht um ihre Zustimmung gefragt. Soviel also zum Verständnis der Begriffe "Bürgerbeteiligung" und "gesellschaftlicher Konsens" seitens Herrn Altmaier und der wespenfarbenen Bundesregierung.

Der Beschluss zum "End"-Lagersuchgesetz, der in der übernächsten Woche im Bundestag gefasst werden soll, dürfte sich daher eigentlich wohl nur darauf beschränken, dass bis 2031 ein Standort gefunden sein soll, an dem die deutschen Hinterlassenschaften des Atomzeitalters untergebracht werden können.

  • Was bleibt ist - wieder einmal(!) - ein atompolitischer Scherbenhaufen. Am besten wäre es, die Scherben zusammenzufegen und noch einmal - dann aber tatsächlich unter Einbindung aller Teile der Gesellschaft, insbesondere auch der Bürger und unter Ausschluss von "Gorleben" - von vorn zu beginnen.


(Quellen: Weser-Kurier vom 15.06.2013, Deutschlandfunk vom 14.06.2013, Frankfurter Rundschau vom 14.06.2013, WAZ vom 13.06.2013, Greenpeace vom 24.05.2013 )

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