In der Grafschaft Somerset, an der Südwestküste Englands, liegt das Atomkraftwerk Hinkley Point. Die beiden Atomreaktoren A1 und A2 wurden Mai 2000 stillgelegt. Weiterhin in Betrieb sind die beiden Reaktorblöcke B1 und B2 mit einer elektrischen Nettoleistung von insgesamt 840 Megawatt (MW).
Obwohl allen Beteiligten bewusst ist, dass der Bau und der Betrieb eines neuen Atomkraftwerks unter wirtschaftlichlichen Gesichtspunkten absoluter Blödsinn ist, erhielt ein Betreiber-Konsortium unter Federführung des französichen Konzerns "Électricité de France" (EDF) im März 2013 die Genehmigung für den Bau von zwei neuen Druckwasserreaktoren des Typs "Areva EPR" (Hinkley Point C1 und C2).
Neben der EDF gehören dem Konsortium die Atomkonzerne "Areva" (Frankreich), "China National Nuclear Corporation" (China) und die "Guangdong Nuclear Power Corporation Holding" an.
Die EDF knüpfte den beabsichtigten Bau der neuen Atomreaktorblöcke an die Bedingung, dass die Regierung den Bau und den Betrieb von "Hinkley Point C" in Form eines garantierten Stromabnahmepreises subventioniert. Im Oktober 2013 einigte sich das französisch-chinesische Konsortium mit der britischen Regierung im Rahmen einer Grundsatzvereinbarung auf Subventionen für den Bau von zwei Druckwasserreaktoren mit einer gemeinsamen Bruttoleistung von 3260 MW in Höhe von 16 Milliarden Pfund (damals etwa 19 Milliarden Euro).
Bereits im Dezember 2013 hatte die damalige EU-Kommission die britische Regierung über ihre Stellungnahme zu der geplanten Subvention für den "Hinkley Point C"-Neubau in Kenntnis in Kenntnis gesetzt. In dem im März 2014 veröffentlichten Statement heißt es, die Subvention des geplanten Atomkraftwerk-Neubaus könnte den Wettbewerb in der EU erheblich verfälschen. Im Oktober 2014, kurz bevor sie am 01.11.2014 die Amtsgeschäfte an die neue EU-Kommission übergab, stimmte die alte EU-Kommission den Subventionen für die Neubaupläne dennoch zu.
Die vorgesehenen Subventionen für "Hinkley Point C" umfassen im Einzelnen
- die vollständige Absicherung der für den Bau der Reaktoren notwendigen Kredite in Höhe von rund 21,6 Mrd. Euro durch staatliche Bürgschaften.
- eine garantierte Abnahmevergütung für den Atomstrom über die gesamte Betriebzeit - die Rede ist von 35 Jahren(!) - zu einem Preis von umgerechnet 11 Cent pro Kilowattstunde (kWh) inklusive Inflationsanpassung.
- Entschädigungszahlungen seitens des britischen Staates im Falle einer Drosselung oder Abschaltung aufgrund veränderter Marktumstände. Nach Informationen des deutschen Anti-Atom-Netzwerks ".ausgestrahlt" soll die britische Regierung dem Betreiber darüberhinaus angeblich sogar einen Schutz des Projekts vor bestimmten gesetzlichen oder regulativen Änderungen zugesagt haben.
- die Kosten für eine sichere "End"-Lagerung über viele Millionen Jahre. ".ausgestrahlt" zufolge enthält der Vertrag keinerlei Absprachen bezüglich des anfallenden Atommülls! Wenn der Betreiber deshalb seine Beteiligung an den zu erwartenden Folgekosten verweigert, wären auch diese der Rubrik "Subvention durch die Steuerzahler" zuzuordnen.
Berechnungen der Financial Times zufolge läge die geplante Abnahmevergütung - bei einer relativ moderaten Inflationsannahme von 2 Prozent - im 35. Betriebsjahr bei 35 Cent/kWh. Das entspräche etwa dem zehnfachen des derzeitigen Strompreises an der Leipziger Börse!
Subventionen heute und in 43 Jahren: Vergleich AKW "Hinkley Point C", erneuerbare Energien in Deutschland |
Über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) erhält ein Betrieber einer großen Photovoltaik-Anlage hierzulande heute eine garantierte Abnahmevergütung von etwa 8,98 Cent/kWh - jedoch ohne Inflationsausgleich und über eine Betriebszeit von lediglich 20 Jahren. In 43 Jahren - wenn "Hinkley Point C" noch immer mit 35,5 Cent/kWh subventioniert werden soll - wird die Stromerzeugung auf Grundlage von Sonne, Wind etc. hierzulande längst ohne Subventionen auskommen.
Deutschland sagt "Ja" zu "Hinkley Point C"
Mit Blick auf den notwendigen Schutz unserer Umwelt und die Verantwortung der heute lebenden Generationen für die Welt, die wir den nach uns folgenden Generationen hinterlassen, ist der Neubau eines Atomkraftwerks ein Verbrechen!
Sollte "Hinkley Point C" nicht doch noch verhindert werden können, dann wäre der damalige deutsche EU-Energiekommissar schuld an der zusätzlichen atomaren Gefährdung. Auch die Bundesregierung träfe wohl eine Mitschuld. Auf der Internetseite von ".ausgestrahlt" heißt es diesbezüglich (Zitat):
.. Nur eine einzige Stimme weniger hätte das Aus für die britischen Atom-Pläne bedeutet. Das Zünglein an der Waage: Die in enger Abstimmung mit Angela Merkel und Sigmar Gabriel abgegebene Stimme des ehemaligen EU-Energiekommissars Günther Oettinger. ..
Zur Rolle Herrn Oettingers in dieser Angelegenheit schreibt die "Financial Times" am 08.10.2014 in einem Artikel auf ihrer Internetseite, Herr Oettinger, damals EU-Energiekommissar, habe entscheidenden Anteil am erfolgreichen Ränkespiel um die Genehmigung der EU-Kommission für die "Hinkley Point C"-Subventionen gehabt. Konform zur offiziellen deutschen Atompolitik (gemeint ist wohl der deutsche "Atomausstieg"), habe er zwar Bedenken dagegen geäußert, aber trotzdem nicht dagegen gestimmt (Zitat):
.. Günther Oettinger, the current energy commissioner from Germany, was pivotal to the scheme winning approval. In line with German policy on nuclear energy, Mr Oettinger expressed reservations, but did not vote against the deal. ..
Über die Unterstützung der Bundesregierung für die Zustimmung der EU-Kommission zu den "Hinkley Point C"-Subventionen schreibt Frau Harms (EU-Parlament, Die Grünen, Vorsitzende) in einem Gastbeitrag im Handelsblatt vom 07.12.2014 (Zitat):
.. Scheinbar macht auch die deutsche Bundesregierung gute Miene zu diesem riskanten Spiel. Angela Merkel und Sigmar Gabriel sollen für ihr „Ja“ zum britischen Deal ihre Ausnahmeregelungen im Erneuerbaren-Energien-Gesetz bekommen haben: Die EU-Kommission gab grünes Licht dafür, dass nach wie vor unzählige deutsche Unternehmen von der EEG-Umlage befreit werden. Im Gegenzug – so hört man auf den Brüsseler Fluren – soll Angela Merkel "Ja" gesagt haben zu den britischen Atomsubventionen. Damit untergräbt die Berliner Regierung wieder einmal die eigene Entscheidung zum Atomausstieg und erschwert die europäische Energiewende. ..
Das Geld, das jetzt in die Subventionen für den Neubau eines Atomkraftwerks investiert werden soll, fehlt für den auch in England dringend notwendigen Umbau der konventionellen Energieversorgung - weg von der Atomkraft und fossilen Energieträgern, hin zu einem dezentralen Verzorgungsnetz auf der Basis regenerativer Energiequellen. Darüberhinaus ebnet die Enscheidung der EU-Kommission den Weg für den Neubau weiterer Atomkraftwerke in Europa - zugunsten der Atom-Konzerne, die sich wohl jetzt schon auf Milliarden Subventionen freuen, und zulasten der Bürger, die dafür aufkommen müssen, und auf viele Jahrzehnte den unkalkulierbaren Risiken der Atomtechnologie ausgesetzt werden. Zur Erinnerung: Neben England hatten auch schon Frankreich, Tschechien und Polen Subventionen für den Bau neuer Atomkraftwerke gefordert.
Die Regierung Österreichs will beim Europäischen Gerichtshof gegen die Entscheidung der EU-Kommission, die Subvention des Atomkraftwerks zu genehmigen, klagen und die "Elektrizitätswerke Schönau" (EWS) reichen eine Beschwerde dagegen ein.
Online Kampagne
Gegen die skandalösen Pläne um den AKW-Neubau haben die Elektrizitätswerke Schönau (EWS) offizielle Beschwerde eingelegt. Wenn der Druck aus der Bevölkerung groß genug wird, erhöht sich die Chance, dass die neu ernannte EU-Kommission die eklatante Fehlentscheidung ihrer Vorgänger zurücknimmt.
- Jeder, der etwas gegen das geplante neue Atomrisiko und die massive Verschwendung unserer Steuergelder unternehmen will, kann sich der Beschwerde mithilfe eines Formulars auf der Internetseite der EWS online anschließen.
(Quellen: taz vom 21.10.2014 - Bericht 1 und Bericht 2, Spiegel vom 16.10.2014, Deutscher Bundestag vom 16.10.2014, Nuklearforum Schweiz vom 16.10.2014, Internationales Wirtschaftsforum Regenerative Energien - IWR vom 13.10.2014, Die Zeit vom 08.10.2014, taz vom 08.10.2014, Der Standard vom 08.10.2014, Kurier vom 08.10.2014, EurActiv vom 08.10.2014, Financial Times vom 08.10.2014 [engl.], Handelsblatt vom 07.12.2014, EU-Kommission vom 18.12.2013, .ausgestrahlt, Wikipedia, Elektrizitätswerke Schönau - Beschwerde-Kampagne, Kampagne, Atomkraftwerke Plag, Wiener Umwelt Anwaltschaft, Nucleopedia )
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