"Aus medizinischen Gründen ..." - mit dieser Begründung hätte Herr Badawi schon am 09.01.2015 nicht verprügelt werden dürfen. Neben den menschenunwürdigen Aspekten ist die Prügelstrafe nämlich auch unter medizinischen Gesichtspunkten generell zu verurteilen. Die internationale Menschenrechtsorganisation "Amnesty International" nennt das Urteil gegen Herrn Badawi beim Namen: Folter!
Da soll ein Mensch im Rahmen einer öffentlichen Schauveranstaltung Woche für Woche zu Tode gefoltert werden, weil er im Internet eine Diskussion über die Trennung von Staat und Religion ins Leben gerufen hat. Jeder Bürger Saudi-Arabiens soll sehen: Das geschieht mit denen, die eine vom Weltbild des Könisghauses oder der "Religionswächter" abweichende Meinung vertreten.
Wenn man nach einer Definition für "Terror" sucht, dann findet man u.a. folgendes: Terror ist die systematische Verbreitung von Angst und Schrecken durch ausgeübte oder angedrohte Gewalt, um Menschen gefügig zu machen. Genau das wird mit dem Vollzug der öffentlichen Zurschaustellung der 1000 Schläge auf den von Woche zu Woche mehr geschundenen Körper Herrn Badawis bezweckt. Die öffentliche Verbreitung von Angst und Schrecken durch den Staat soll die Bürger Saudi-Arabiens gefügig machen.
Die Machthaber in Saudi-Arabien definieren "Terrorismus" allerdings anders. In einem Bericht auf der Internetseite der "Deutschen Welle" heißt es, das Urteil gegen Herrn Badawi beruhe auf einem im Frühjahr 2014 in Kraft getretenen Gesetz, das dem Staat höchst willkürliche Mittel in die Hand gibt. Damit verfüge er über ein juristisches Regelwerk, das (Zitat): ".. nahezu jeden von der Staatsideologie abweichenden Gedanken als Terrorismus kriminalisiert."
Der weltweite Protest zeigt Wirkung
In meinen Augen klingt die Begründung für die Verschiebung der nächsten fünfzig Schläge wie der blanke Hohn. Schließlich haben die Richter mit dem Urteil beabsichtigt, dass ihre Folterknechte Herrn Badawi krankenhausreif schlagen. Dass eine solche Tortur der Gesundheit nicht zuträglich ist, sollte ihnen eigentlich bewusst sein.
Weltweit demonstrieren Bürger ihren Protest - u.a. mit Mahnwachen vor den Botschaften Saudi-Arabiens. Weltweit setzten sich die Regierungen vieler Länder für die Freilassung Herrn Badawis ein. Ich denke, dass wohl auch der weltweite Protest einer der "medizinischen Gründe" gewesen sein wird, der zur vorübergehenden Aussetzung des - wie es in einem Kommentar auf der Internetseite der "Schwäbischen Zeitung" heißt - "Justizmords auf Raten" beigetragen haben wird.
Für meine Einschätzung spricht auch die - wie Die Welt schreibt - Überweisung des Urteils vom Hof der Saudis an das höchste Gericht des Landes - angeblich auf Wunsch des Königs. Die östereichische "Kleine Zeitung" scheint genauere Informationen zu haben und beruft sich dabei auf den britischen Sender BBC. Demzufolge hat das Büro des saudischen Königs den Fall an den obersten Gerichtshof verwiesen, der den Fall erneut prüfen soll.
Immerhin ist das erst einmal ein Hoffnungsschimmer für Herrn Badawi und seine Familie, der nach ihrer Flucht in Kanada Asyl gewährt wurde. Wichtig ist jetzt aber, dass der Druck auf Saudi-Arabien aufrechterhalten wird. Nur so besteht die Chance, dass Herr Badawi eines Tages vielleicht seine Frau und seine drei Kinder in Kanada wiedersehen kann ...
"Die einzige Möglichkeit, mit einer unfreien Welt umzugehen, ist so absolut frei zu werden, dass die eigene bloße Existenz ein Akt der Rebellion ist."
Albert Camus (1913-1960)
Raid Badawi zitierte diesen Satz im Mai 2012, kurz bevor er verhaftet wurde, in einen letzten, sehr persönlichen Beitrag über das Wesen der Freiheit.
(Quellen: Rheinische Post vom 19.01.2015, Die Welt vom 17.01.2015, Der Standard vom 17.01.2015, Schwäbische Zeitung vom 16.01.2015, Die Zeit vom 16.01.2015 - Bericht 1 und Bericht 2, Handelsblatt vom 16.01.2015, Kleine Zeitung vom 16.01.2015, Deutsche Welle vom 16.01.2015, Wikipedia )
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