Dienstag, 7. Oktober 2014

CETA, TTIP: Selbstorganisierte EBI startet heute



Die Verteiler der Netzwerke arbeiten schnell: Heute Nacht, um Null Uhr fiel der Startschuss für die selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (EBI) "Stop TTIP!".

Ein Bündnis aus mehr als 250 Organisationen kämpft für einen Stopp der Verhandlungen.

Nachdem die Europäische Kommission den Start einer offiziellen EBI aus "formalen Gründen" abgelehnt hatte, startete das Bündnis heute eine "selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative". Binnen eines Jahres sollen - formal konform zu einer offiziellen EBI - europaweit mindestens 1 Million Unterschriften gesammelt werden.

Das "Umweltinstitut München" und das demokratische Netzwerk "Campact" verwenden auf ihren Internetseiten jeweils ein eigenes Online-Formular, auf denen aktuell (Stand: 07.10.2014, 06:30 Uhr) bereits mehr als 1000 (Umweltinstitut München) bzw. 12000 (Campact) Unterschriften gegen die "Freihandelsabkommen" CETA (EU/Kanada) und TTIP (EU/USA) registriert wurden. Auf der zentralen Internetseite der EBI waren es um diese Zeit weniger als 100 - eine Stunde später stand der Zäher hier bereits auf mehr als 30.000 ...

Andere Organisationen, wie beispielsweise "Mehr Demokratie e.V." oder "TTIP unfairhandelbar" verwenden das offizielle Formular der EBI (Stop TTIP! org), das auch ich hier eingebettet habe:




Die EBI wird vor dem Europäischen Gerichtshof gegen den Ablehnungsbescheid klagen. Sie stützt sich dabei auf ein Rechtsgutachten "zur Zulässigkeit einer gegen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) und CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) gerichteten Europäischen Bürgerinitiative " vom 30.04.2014. Damit bescheinigt Herr Professor Dr. Jur. Bernhard Kempen (Universität zu Köln, Institut für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, Direktor) dem Bündnis "Stop TTIP" (Zitat, Rechtsgutachten Seite 22):
  1. Eine EBI mit dem Ziel, TTIP und CETA zu verhindern ist rechtlich zulässig.
  2. Wegen des inneren Sachzusammenhangs ist es zulässig, beide Verträge zum Gegenstand einer EBI zu machen.
  3. Unter den beiden vorgelegten Varianten dürfte nach dem derzeitigen Stand der Vertragsverhandlungen zu CETA der Variante 2 der Vorzug zu geben sein.
  4. Alternativ zu den vorgelegten Entwurfstexten dürfte es ausreichen, die EBI so zu formulieren, dass allein das Ziel, den Abschluss der völkerrechtlichen Verträge zu verhindern deutlich wird.

Die EU-Kommission begründet die formale Zurückweisung der EBI mit der Behauptung, die Verhandlungsmandate zu TTIP und zum CETA seien keine Rechtsakte, sondern interne Vorbereitungsakte zwischen den EU-Organen. Diese seien durch eine Bürgerinitiative nicht anfechtbar. Herr Efler (Mehr Demokratie e.V.) kommentiert diese Auffassung der EU-Kommission mit den Worten (Zitat):
"Die Auffassung der Kommission, dass nur Rechtsakte mit Wirkung auf Dritte durch eine EBI berührt werden dürfen, ist offensichtlich rechtsfehlerhaft. Das Verhandlungsmandat der Kommission ist ein förmlicher Beschluss des Rats und ein Rechtsakt. Würde die Rechtsauffassung der Kommission Bestand haben, hieße das im Klartext: Der Bevölkerung sind bei der Entwicklung internationaler Verträge jeder Art die Hände gebunden - eine Auskunft, die ebenso erschreckend wie skandalös ist."

Da wurde - und wird - zwischen Kanada (CETA) bzw. USA (TTIP)  und der EU-Kommission einerseits, sowie multinationalen Konzernen und deren Lobbyisten andererseits hinter verschlossenen Türen de facto über die unanfechtbare Annullierung demokratisch legitimierter Gesetze und Verordnungen durch Konzerne vor internationalen Schiedsgerichten im Rahmen des Investorenschutzes verhandelt.

Im Klartext:
Den Konzernen wird damit das Recht eingeräumt, vor nicht öffentlichen Schiedsgerichten gegen Gesetze Kanadas, der Vereinigten Staaten von Amerika oder der Europäischen Union bzw. deren Mitgliedsstaaten zu klagen und sie für ungültig erklären zu lassen, sobald man in den Führungsetagen der Konzerne der Ansicht ist, dass die entsprechenden Gesetze ihre Profite schmälern könnten.

Sollten CETA oder/und TTIP ratifiziert werden, dann wäre das auf jeden Fall ein Rechtsakt - und ein direkter Angriff auf grundlegende demokratische Rechte der Bürger in den betroffenen Staaten: Mit Auswirkungen auf alle Bereiche unseres täglichen Lebens!

  • Für eine EBI wäre es dann allerdings zu spät. Ich bin deshalb sehr gespannt darauf, was der Europäische Gerichtshof dazu sagen wird.


Zum Weiterlesen:


(Quellen: Spiegel vom 11.09.2014 und vom 06.10.2014, Süddeutsche Zeitung vom 05.09.2014, E-Mail Verteiler des Umweltinstituts München und von Campact, Mehr Demokratie e.V. - Kampagnen Blog, EBI "Stop TTIP!", TTIP unverhandelbar, Campact - 5-Minuten-Info)

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