Samstag, 26. April 2014

28 Jahre "Tschernobyl" - ... und nichts dazugelernt!

AKW Tschernobyl: Links die neue "Schutzhülle" , das "New Safe Confinement".
(Foto: © Ingmar Runge, Juni 2013, Ausschnitt -  CC: BY-SA)
Auch achtundzwanzig Jahre nach der Expolosion des Reaktors vier des ukrainischen Atomkraftwerks "Tschernobyl" sind die vom Super-GAU ausgehenden Gefahren nicht gebannt. Ein Ende ist nicht abzusehen. Erschwerend für die Sicherungsmaßnahmen für den einsturzgefährdeten "Sarkophag" kommt aktuell die politische Situation in der Ostukraine und die drohende militärische Annektion dieser Region durch Russland hinzu.

Damit wird heute, am 28. Jahrestag des Super-GAUs, einmal mehr deutlich, dass niemand in der Lage ist, vorherzusagen, wie sich die heute vielleicht scheinbar noch "sichere" Situation rund um die Uranminen, die Atomkraftanlagen oder die Atommülllager - deren Sicherheit nach menschlichen Maßstäben für die Ewigkeit gewährleistet sein muss - entwickeln wird. Sicher ist lediglich, dass sich das unlösbare Problem der sicheren(!) Lagerung ihrer strahlenden Hinterlassenschaften mit jedem der weltweit noch betriebenen Atomkraftwerke von Tag zu Tag weiter verschärft und das sich irgendwo auf der Welt jederzeit der dritte Super-GAU nach "Tschernobyl" (26.04.1986) und "Fukushima" (11.03.2011) ereignen kann - ... nach derzeitigem Stand mindestens bis 2020 auch mitten in Deutschland!



AKW "Tschernobyl", Konstruktion des "New Safe Confinements" (Animation)
Die neue Schutzhülle hätte den ursprünglichen Plänen entsprechend eigentlich bereits 2005 fertiggestellt sein sollen. Zuletzt war für das Projekt, dessen Kosten auf inzwischen 1,5 Milliarden Euro angewachsen sind, ein Fertigstellungstermin im Jahre 2015 genannt worden. Eine internationale Geberkonferenz die im April 2011 in Kiew zusammengekommen war, hatte lediglich 550 Millionen Euro dafür zugesagt. Die Ukraine hatte auf die Hälfte der damals veranschlagten Kosten gehofft.

Wegen der hohen Radioaktivität wird das sogenannte "New Safe Confinement" in zwei Bauabschnitten mit dem notwendigen Sicherheitsabstand neben dem havarierten Atomreaktor aufgebaut. Später soll die gesamte Konstruktion auf Schienen über den maroden Beton-Sarkophag gefahren werden.

Aufgrund der besorgniserregenden politischen und militärischen Situation im Osten der Ukraine mehren sich inzwischen jedoch die Zweifel daran, ob die Sicherungsmaßnahme tatsächlich bis zum nächsten Jahr abgeschlossen werden kann.


Restrisiko Bundesregierung

Nach dem Willen der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung sollen in Deutschland noch bis mindestens Ende 2020 Atomkraftwerke betrieben werden - trotz des damit weiterhin bestehenden "Rest"-Risikos" für die Bevölkerung und der unlösbaren Atommüll-"End"-Lagerproblematik.

Wie sagte Frau Merkel (CDU, Bundeskanzlerin) drei Monate nach dem mehrfachen Super-GAU in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-1" doch so schön in ihrer Regierungserklärung zur Energiewende? Sie sagte, sie habe bis zum Unfall in Japan (Zitat): ".. das Restrisiko der Kernkraft akzeptiert, weil ich überzeugt war, dass es in einem Hochtechnologieland nicht eintritt ..".

Zum 1. Jahrestag der Atomkatastrophe von "Fukushima" erinnerte die taz in einem Artikel vom 09.03.2012 daran, wie das Bundesverfassungsgericht 1978 den Begriff "Restrisiko" definiert hat: Ein "Restrisiko" ist ein hypothetisches Risiko, das nach dem Stand der Wissenschaft unbekannt, aber nicht auszuschließen ist. Bezogen auf den 2. Super-GAU in der kurzen Geschichte des Atomzeitalters heißt es in dem Artikel der taz weiter (Zitat):
".. Eine Atomanlage, die gegen Erdbeben und Tsunami nicht ausreichend ausgelegt ist und deren Techniker nicht für Notfälle geschult sind, an einem erdbeben- und tsunamigefährdeten Standort zu betreiben kann man Dummheit, Arroganz oder auch Irrsinn nennen. Ein Restrisiko waren Bau und Betrieb des Unglücksreaktors Fukushima Dai-ichi jedenfalls nicht. ..)
Wenn die Bundeskanzlerin und promovierte Physikerin Angela Merkel erkläre, sie habe bis zum Unfall in Japan das Restrisiko der Kernkraft akzeptiert, weil sie überzeugt gewesen sei, dass es in einem Hochtechnologieland nicht eintreten würde, dann stricke sie nur weiter am Märchen vom "Rest"-Risiko der Atomkraft. Fukushima, Tschernobyl, Harrisburg und die Tausenden kleiner und großer Störfälle hätten jedoch gezeigt, dass die tödliche Gefahr ein Bestandteil von Atomanlagen ist die keineswegs wie ein Blitz aus heiterem Himmel komme.


Der Schutz der Bevölkerung ist Illusion


Tschernobyl und Europa

Der Katastrophenschutz hätte diesem Bestandteil der Atomanlagen nichts entgegenzusetzen. Die Eingreifrichtwerte in den - realistich gesehen - ohnehin schon kaum umsetzbaren Notfallplänen zum Schutz der Bevölkerung sind zudem viel zu hoch angesetzt. Die "Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkriegs, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V." (IPPNW) kritisieren in einer Pressemitteilung vom 24.04.2014, dass die deutsche Strahlenschutzkommission (SSK) die gesundheitlichen Folgen des Super-GAUs 28 Jahre nach dem Super-GAU von "Tschernobyl" immer noch ignoriert. Die SSK nehme damit – vorsichtig geschätzt – billigend Zehntausende Opfer infolge eines möglichen Super-GAUs in Kauf.

In "Fukushima" habe die Grenze für Evakuierungen bei 20 Millisievert (mSv) gelegen. Der Eingreifrichtwert für Evakuierungsmaßnahmen in "Tschernobyl" sei sogar schon bei 10 mSv erreicht gewesen. Demgegenüber empfehle die SSK lediglich in einem Umkreis von 20 km um ein havariertes Atomkraftwerk eine sofortige Evakuierung. In weiteren Entfernungen innerhalb eines Umkreises von bis zu 100 km habe die Bevölkerung erst dann ein "Anrecht auf Evakuierung", wenn innerhalb von 7 Tagen eine radioaktive Belastung von 100 mSv erreicht werde.

Außerdem sei die den Notfallplänen zugrunde liegende Annahme der SSK, die von radioaktiven Emissionen von bis zu 50 Stunden nach Beginn eines Super-GAUs ausgeht, aufgrund der Erkenntnisse aus der Dauer der Emissionen nach Beginn der Super-GAUs von "Tschernobyl" (11 Tage[!]) und "Fukushima" (25 Tage[!]) unhaltbar. Auch das alles hat mit dem Begriff "Restrisiko" nichts mehr zu tun - eher schon mit großen Kindern, die - obwohl sie sich der Gefahr bewusst sind - auf den Nervenkitzel des verbotenen "Spiels mit dem atomaren Feuer" nicht verzichten wollen.


Damit wird vor allem eines deutlich: Die SSK ist nicht für den Schutz der Bevölkerung vor den Folgen eines Super-GAUs zuständig, sondern für den Schutz der Atomkonzerne, damit diese auch weiterhin ihre gemeingefährlichen Atommeiler betreiben können. Anderenfalls hätte ihre Empfehlung nämlich lauten müssen:
'Da der Schutz der Bevölkerung im Falle eines Super-GAUs nicht gewähleistet werden kann, müssen die Atomkraftwerke umgehend außer Betrieb genommen werden.'


(Quelle: Spiegel vom 25.04.2014, Deutsch Türkische Nachrichten vom 24.04.2014, Radio Stimme Russlands vom 24.04.2014, IPPNW - Pressemitteilung vom 24.04.2014, taz vom 09.03.2012, Süddeutsche Zeitung vom 09.06.2011, Handelsblatt vom 19.04.2011, Die Zeit vom 19.04.2011 )

4 Kommentare:

Grey Owl Calluna hat gesagt…

Solange die Welt der Menschen so ist wie sie ist....und von wenigen gelenkt wird, die sich nur berreichen und denen alle anderen egal sind.....was erwarten wir schon?
Kein Wunder das die Menschheit immer kränker wird....so im Ganzen....
Liebe Grüße... trotzalldem.....aus Thüringen....
Genießen wir das bisschen Leben noch.....so gut wie's geht.
Rosi

Hermann hat gesagt…

Und ich dachte, die Energiewende hat längst stattgefunden. Wahrscheinlich nur auf der Abrechnung meines Energieversorgers. Nun ja, vor drei Jahren, als die Katastrophe in Japan passierte, habe ich immer gesagt, dass ich gerne mehr Geld für Strom ausgeben würde, wenn die AKW abgeschaltet werden. Nun gebe ich mehr Geld aus und will mich nicht beklagen.
Nur, die privaten Verbraucher leisten ihren Teil, aber immer mehr Gewerbebetriebe sind vom Preisaufschlag ausgenommen. Und letztlich bekommen wir ohnehin alle AKW-Strom geliefert - der im Ausland produziert wurde.

juwi hat gesagt…

@Hermann: Eben deswegen, damit wir keinen fossilen- oder Atomstrom mehr importieren müssen, ist es notwendig, den Ausbau regenerativer Energien zügig voranzutreiben. Die aktuelle, schwarz-rote Große Koalition sabotiert das zugunsten diverser Lobbys und großer Konzerne ebenso, wie schon die vorhergehende schwarz-gelbe Regierung. Deshalb wird es auch weiterhin notwwendig sein, den Druck von der Straße aufrechtzuerhalten und weiter zu verstärken - das nächste Mal am 10. Mai in Berlin.

Ocin1 RIchter hat gesagt…

Strahlen-Tote im KKW- Fukushima = 0, Tote im KKW-Harrisburg =0

Frankreich 2.12.1959 (bis zu 429 Tote), Brasilien 25.3.1960 (etwa 1000 Tote) , China 18.5.1960 (etwa 1000 Tote), Indien 12.7.1961 (etwa 1000 bis 2000 Tote), Indien 29.9.1964 (1000 Tote), Italien 9.10.1963 (etwa 2000 Tote), Indien 29.10.1964 (etwa 1000 Tote), Bulgarien 1.5.1966 (bis zu 488 Tote), China 8.8.1975 (um 220 000 Tote), Indien 11.8.1979 (etwa 2000 bis 2500 Tote), Philippinen 1991 (3500 Tote), China 27.8.1993 (etwa 240 bis 1200 Tote). Siehe bei de.wikipedia.org nach „Liste von Stauanlagenunfällen“

Würde ein Bundes-Deutscher nun den Ausstieg aus der Staudamm-Technik verlangen, NEIN natürlich nicht. Würde nun ein Bundes-Deutscher die Staudamm-Technik für unbeherrschbar halten, NEIN natürlich nicht!

Atommüll: In einem deutschen KKW ergibt sich jährlich etwa 23 t hoch radioaktiver Müll ("abgebrannte" Brennelemente). Die deutsche Industrie produziert jährlich chemisch hoch giftigen/krebserregenden Sondermüll. Dieser Sondermüll wird endgelager in der Untertage-Sondermülldeponie Herfa-Neurode (siehe Inter-Net bei Wiki). In Herfa-Neurode haben sich so schon 700 000 t hoch krebserregendes-giftiges dioxin- und furanhaltige Filterrückstände angesammelt. Nur auf Herfa Neurode bezogen stehen also 17 mal 23 t (etwa 400t) hoch aktiver Nuklear-“Müll“ den etwa 50 000 t hoch chemisch giftigen.

Abgebrannte Brennelemente sind nach 300 000. Jahren auf ein radio-giftigkeits Niveau von natürlichem Uranerz (Pechblende) abgeklungen (schau hierzu mal im Netz unter radiotoxicity oder unter , http://www.hzdr.de/db/Cms?pOid=30396&pNid=2721 . Der nukleare Abfall aus aktuellen Wiederaufbereitungsanlagen (Sellafield, Le Hage) ist nach 10 000 Jahren auf dem radio-giftigkeits Niveau von Pechblende abgeklungen. Durch das Abtrennen vom mittel-radioaktiven Plutonium und dem sehr schwach radioaktiven Uran verbleiben nur noch die hoch radioaktiven Spalt-Produkte und anderen mittel-radioaktiven Minor-Actinoide (ohne U, Pu) siehe bei Wiki nach „Wiederaufarbeitung“. Wendet man das auf die 17 KKW der BRD an, fallen nicht mehr 400t Atom-Müll pro Jahr an, sondern nur noch 20t pro Jahr (hoch radioaktiv). Weiter verringert das Abtrennen (Wiederaufarbeiten) die Lagerzeit des Abfalls um den Faktor 10.

Bei einer alternativen Reaktortechnik (Flüssigsalz-Reaktor, homogene Fluid-Reaktoren, ww.Energyfromthorium.com, Dual-Fluid-Reaktor.de/technik/prinzip ) würden nur noch die Spalt-Produkte als Abfall anfallen. Der nukleare Müll solcher alternativen Reaktor-Typen ist bereits nach etwa 500 Jahren auf das radio-giftigkeits Niveau von Pechblende abgeklungen.

Bei den chemischen Giftstoffen ist nicht mit einer Zersetzung zu rechnen. Chemikalien zerfallen nicht wie radioaktive Stoffe. Somit verbleiben diese hoch gefährlichen Abfälle für immer.

2005 wurde unter den SPD/Grünen die Wiederaufbereitung, auch die deutscher Abfälle im Ausland, verboten. Die BRD lagert chemisch hoch giftige Abfälle des Auslandes gegen Geld ein. Damit haben die Grünen kein Problem. Weiter wurde das größte chem. Endlager weltweit in Herfa Neurode vom damaligen hessischen Umweltminister Joschka Fischer 1986 genehmigt und als "Juwel" bezeichnet :-) [ww.spiegel.de/spiegel/print/d-13520557.html]. Also, wer "GRÜN" wählt, wählt chemische Endlager (die zweifellos notwendig sind).

Chemischen Endlagerung:

de.nucleopedia.org/wiki/Endlagerung#.C3.9Cberblick, de.wikipedia.org/wiki/Endlager , de.wikipedia.org/wiki/Müllverbrennung, ww.focus.de/politik/deutschland/sondermuell-ab-ins-bergwerk_aid_152486.html, ww.badische-zeitung.de/elsass-x2x/wohin-mit-dem-hochgiftiger-sondermuell-aus-wittelsheim--36297444.html , ww.spiegel.de/spiegel/print/d-13489952.html , ww.toxcenter.de/artikel/Herfa-Neurode-groesste-Sondermuelldeponie-der-Welt.php, ww.eon-energyfromwaste.com/Umwelt/133.aspx, ww.spiegel.de/wirtschaft/gefaehrlicher-goldabbau-ein-ehering-produziert-20-tonnen-giftmuell-a-542725.html, ww.dw.de/zerstörte-umwelt-der-preis-des-goldes/a-15295336und …

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