Sonntag, 17. März 2013

The Winner takes it all


Man stelle sich einmal vor, die Regierung Zyperns würde in der EU eine Mehrheit dafür finden, dass alle EU-Bürger auf mindestens 6,75 Prozent ihrer Spar-Rücklagen verzichten sollen, die sie auf ihren Bankkonten deponiert haben. Undenkbar? Ein Aufschrei würde quer durch alle Bevölkerungsruppen aller EU-Mitgliedsländer gehen, bei dem das Wort "Diebstahl" noch eines der harmlosesten wäre?

Wem die Vorstellung, er solle aufgrund einer Entscheidung, auf die er keinen Einfluss hat, unversehens auf 6,75 Prozent seines Vermögens verzichten, weltfremd erscheint, der beginnt langsam zu verstehen, was die Bürger Zyperns derzeit bezüglich der "freundlich angebotenen Hilfe" der Finanzminister der Euro-Länder empfinden müssen. Die sind nämlich nur dann bereit, das Bankensystem Zyperns - und damit das gesamte Land - vor der Zahlungsunfähigkeit zu bewahren, wenn den Menschen dort der Zugriff auf 6,75 Prozent ihres Geldes verwehrt wird.

Einige derjenigen, die für die drohende Staatspleite Zyperns verantwortlich sind kommen möglicherweise wieder einmal ungeschoren davon. Die Konten zyprischer Anleger im Ausland sind beispielsweise vom Griff die Taschen von Zyperns Bankkunden nicht betroffen. Aber welcher "kleine Mann" in Zypern wird schon den Aufwand betrieben haben, seine ohnehin nicht gerade üppigen Notgroschen auf Auslandskonten zu verschieben. Und wer sein Geld auf zwei oder drei Konten angelegt hat, der wird dann auch noch gleich zwei oder dreimal zur Kasse gebeten.

Es mag ja angehen, dass die Verluste - auch für die Bürger Zyperns - ohne das Geld aus der EU noch weitaus größer ausfallen würden, als "nur" in Höhe von 6,75 Prozent. Aber dann sollen die Finanzminister der Euro-Länder unser Geld  doch bitteschön bei denen wiederholen, die den Schlamassel verursacht haben und nicht bei denjenigen, die mit ihren paar Euro vielleicht ohnehin gerade mal so über die Runden kommen.

Wenn man Finanzfachleuten wenigstens noch dahingehend Glauben schenken mag, dass auch der Rest Europas und der Welt nicht vor weiteren Finanzkrisen gefeit ist, dann muss man wohl zumindest damit rechnen, dass der Griff in die Kassen der Bürger zugunsten der Banken bei passender Gelegenheit auch alle anderen Bankkunden in Europa treffen könnte. Einfache Lösungen finden bekanntlich immer wieder Nachahmer.

Es ist seit einigen Jahren immer wieder das gleiche Schema: Die Banken verursachen den Schaden. Die Länder geraten in den Strudel der dadurch ausgelösten Krise. Die Bürger werden für die Entschuldung der Banken zur Kasse gebeten - ob nun durch den Griff in die Steuerkasse oder direkt aufs Bankkonto - und das Spielchen beginnt erneut von vorne. - Und solange dem Treiben der Banken auf internationaler Ebene kein Riegel vorgeschoben wird, ist wohl kaum ein Ende abzusehen:
  • The Winner takes it all!

(Quellen: taz vom 17.03.2012, Die Zeit vom 17.03.2013, Tagesschau vom 16.03.2013, Der Spiegel vom 16.03.2013, Spiegel vom 27.02.2013)

2 Kommentare:

Hermann hat gesagt…

Lieber Jürgen,
ich sehe dass etwas differenzierter. Ja, es ist richtig, dass auch in Zypern wieder die "Kleinen" bluten müsse. Ja, ich bin auch für den Erhalt von Europa. Ja, ich weiß, dass in erster Linie die Banken gerettet werden.
Aber: Wenn Zypern sich nicht selbst helfen will, wer soll dann helfen. Nein, ich bin dagegen, dass immer und überall die EU (also wir alle) einspringen sollen für Fehler, die die Mitgliedsstaaten selbst verursacht haben.
Nehmen wir einmal an, es gäbe den Euro gar nicht. Dann müßte auch jeder Staat seine Währung und seine Finanzen selbst in Ordnung halten. Dann müßte Zypern abwerten, und der Sparer dort wäre ebenfalls der Betrogene. Aber es kann doch nicht sein, dass immer der deutsche Steuerzahler - der schon genug gebeutelt ist durch niedrige Löhne usw. - für die komplette EU aufkommt. Ich bin ein begeisteter EU-Bürger, ich helfe auch gerne. Aber nur wenn der in Not geratene auch bereit ist, sich selbst zu helfen. Da nützt es nichts, immer mit dem Finger auf die schlimmen Reichen und auf die Banken zu zeigen. Natürlich haben die den eigentlichen Schlamassel verursacht - gemeinsam mit den Regierungen. Natürlich muss der kleine Sparer dafür wieder bluten. Natürlich wollen wir helfen - aber nur, wenn, wie in diesem Fall, Zypen bereit ist, sich selbst zu helfen.
Liebe Grüße
Hermann

juwi hat gesagt…

@Hermann: Klar muss auch Zypern seinen Teil zur Lösung des Problems beitragen. Trotzdem ist der Griff in die Taschen der Sparer nach meinem Verständnis Diebstahl. Eine "andere differenzierte Sichtweise" als die deine ist heute in einem Kommentar von Nicola Liebert in der taz zu lesen: http://taz.de/Kommentar-Zypern/!113148/

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