Donnerstag, 7. Juli 2016

CETA: Trotz Kehrtwende durch die Hintertür?


"Nein zu CETA": Aktionsbündnis startet Bürgerklage! Das Video erklärt die Notwendigkeit

Nachdem Herr Juncker (EU, Kommissionspräsident) beim EU-Gipfel in der vergangenen Woche noch darauf bestanden hatte, dass die Ratifizierung des bereits ausverhandelten "Frei"-Handelsabkommens der EU mit Kanada (CETA) allein in die Zuständigkeit der EU fällt, ruderte die EU-Kommission jetzt zurück. Am Dienstag verkündete sie in Straßburg ihre Entscheidung, CETA nun doch als "gemischtes Abkommen" behandeln zu wollen.

Damit stimmen nun doch die nationalen Parlamente der EU-Staaten über CETA, und damit auch über ihre eigene Souveränität ab. Die wäre im Falle des Inkrafttretens des Handelsabkommens infolge der vorgesehenen Klagemöglichkeiten multinationaler Konzerne vor geheimen Schiedsgerichten (Investor State Dispute Settlement, ISDS) gegen nationale und europäische Gesetze, sowie durch die frühzeitige Einbeziehung multinationaler Lobby-Organisationen im Rahmen der "Regulatorischen Kooperation" massiv gefährdet.

Hätten Herr Junker und die EU-Kommission weiterhin darauf bestanden, CETA ohne die Zustimmung der nationalen Parlamente zu ratifizieren, dann wäre das weitgehenden Einschränkungen grundlegender demokratischer Rechte über die Köpfe der davon betroffenen Bürger und ihrer Parlamente gleichgekommen. Der Rückzieher der EU-Kommission weist auffällige Parallelen zum deutschen "Atomausstieg" nach dem mehrfachen Super-GAU in der japanischen Atomkraftanlage "Fukushima-I" auf. Unter dem Eindruck der vorangegangenen massiven, europaweiten Proteste und Demonstrationen der Bürger gegen CETA und TTIP bedurfte es erst eines "politischen Super-GAUs", um die EU-Kommission zum Einlenken bewegen: Der BREXIT war letztlich wohl das Ereignis, welches den Ausschlag dafür gab.

Hinzu kommt die in vielen Ländern lauter werdende Kritik an den demokratischen Defiziten in den Strukturen der Europäischen Union. Solange letztlich die EU-Kommission und der Ministerrat das Sagen haben und sich weiterhin über Entscheidungen des EU-Parlaments hinwegsetzen können, wird sich daran allerdings auch nichts ändern. Ich sag's ja nicht gerne, aber ohne weitreichende Reformen und die Verlagerung der Machtverhältnisse innerhalb der EU - weg von der Kommission und dem Ministerrat, hin zum von den Bürgern Europas demokratisch gewählten Europäischen Parlament - wird das politische Konstrukt "Europäische Union" wohl keine Zukunft haben.


Handelskommissarin spielt mit gezinkten Karten

Frau Malmström (EU-Kommission, Handelskommissarin) beharrt trotz der Kehrtwende der EU-Kommission darauf, dass CETA bereits vor den Abstimmungen in den Parlamenten der EU-Mitgliedsstaaten "vorläufig" in Kraft tritt. Von den EU-Mitgliedsstaaten, 'die alle um dieses Abkommen gebeten haben' fordert sie, dass diese (Zitat): ".. die Führung zu zeigen, die nötig ist, um es [CETA] gegenüber ihren Parlamenten und Bürgern zu verteidigen." - Es lässt schon tief blicken, wenn Frau Malmström es offenbar nötig hat, die Regierungen der EU-Mitgliedsländer zum Widerstand gegen ihre eigenen Bürger aufzurufen.

Mit der vorläufigen Inkraftsetzung von CETA würden Fakten geschaffen, die sich im Nachhinein kaum noch rückgängig machen ließen. Herr Süß (Attac, Handelsexperte) kündigt deshalb den Widerstand der Bürgerrechtsorganisation "Attac" gegen das Brüsseler Spiel mit gezinkten Karten an (Zitat):
".. Malmström will also weiterhin die nationalen Parlamente aushebeln und CETA durch die Hintertür einführen. Weil sie sich nicht frontal gegen die öffentliche Meinung durchsetzen kann, setzt sie auf die vorläufige Anwendung des EU-Kanada-Abkommens, noch bevor die Abgeordneten in den Mitgliedsländern darüber beraten und abstimmen können. Dieser Einführung von CETA durch die Hintertür werden wir uns weiterhin entschieden mit unseren Aktionen entgegenstellen. .."

Bundesweite Großdemonstrationen im September

Auch wenn der Bundestag nun über CETA abstimmen wird, besteht die Möglichkeit, dass die Bundesregierung - trotz der damit einhergehenden Einschränkung grundlegender demokratischer Rechte - ihre Zustimmung für die Ratifizierung gibt. Unter dem Motto "CETA und TTIP stoppen! - Für einen gerechten Welthandel!" ruft ein breites gesellschaftliches Bündnis deshalb dazu auf, am 17.09.2016 den Widerstand gegen CETA im Rahmen von bundesweit sieben Großdemonstrationen auf die Straßen von Berlin, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart zu tragen.


Bürgerklagen gegen CETA

Darüberhinaus sind zwei Bürgerklagen gegen CETA vor dem Bundesverfassungsgericht in Vorbereitung. Die Erste wurde auf der Petitionsplattform "Change.org" von Frau Grimmenstein initiiert. Ihre von 70.000 Bürgern mitgetragene Klage gegen die beabsichtigte vorläufige Inkraftsetzung von CETA und gegen die mögliche Zustimmung der Bundesregierung wurde bereits am 18.04.2016 beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Es ist daher nicht mehr möglich, sich dieser Bürgerklage noch anzuschließen. Die parallel dazu auf Change.org laufende Petition von Frau Grimmenstein kann jedoch auch weiterhin mitgezeichnet werden.

Die zweite Bürgerklage wurde vor etwa einem Monat gemeinsam von einem Bündnis der Organisationen "Mehr Demokratie e.V.", "Campact" und "Foodwatch" auf den Weg gebracht. Jeder, der sich der Klage von Frau Grimmenstein nicht mehr anschließen kann, hat damit noch die Möglichkeit, sich der zweiten Klage gegen CETA als Mitkläger anzuschließen.

Zur Begründung für die Klage schreibt "Mehr Demokratie e.V." auf seiner internetseite (Zitat):
".. CETA darf nicht in Kraft treten. Denn zehntausenden ausländischen Konzernen wird damit das Recht eingeräumt, gegen EU-Staaten zu klagen. So können sie Gesetze beispielsweise zum Schutz von Umwelt und Gesundheit anfechten. Da liegt es nahe, die Konzerninteressen gleich bei der Gesetzgebung zu berücksichtigen.

Was aber sind dann unsere Wählerstimmen noch wert? Warum überhaupt noch wählen gehen, wenn Politik vor Konzernen kuscht? Das sind die Kernfragen, die von CETA und TTIP aufgeworfen werden. Wir verlangen eine Antwort, wir ziehen nach Karlsruhe vors Bundesverfassungsgericht. ...

Der Artikel 38 des Grundgesetzes ist der Kern unseres Wahlrechts: 'Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.'

Wie verträgt sich das mit dem Zugriff von Konzernen auf die Gesetzgebung? Wir meinen: gar nicht. Deshalb die Klage gegen CETA. .."


Eigentlich hatte die EU-Kommission CETA bei einem Gipfeltreffen der EU mit Kanada im Oktober ratifizieren wollen. Ob daraus noch etwas wird, ist jetzt erst einmal weiterhin offen. Bis es zu einer Entscheidung kommt, wird es aber notwendig sein, den "Druck von der Straße" aufrechtzuerhalten und weiter zu verstärken:


(Quellen: RT Deutsch vom 06.07.2016, Attac vom 05.07.2016, ORF vom 05.07.2016, Mehr Demokratie - Newsletter Ausgabe 7/2016, TTIP-Demo )

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