Mit ihrem Antrag hatte die Bürgerinitiative von der Europäischen Kommission gefordert (Klageschrift der EBI, Seite 8, Abs. 16, Zitat),
"... dem Europäischen Rat zu empfehlen, das Verhandlungsmandat für das Transatlantic Trade and Investment Partnership (TTIP) zurückzuziehen und das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) nicht abzuschließen."Die Bürgerinitiative will TTIP und CETA verhindern, weil (Klageschrift der EBI, Seite 8, Abs. 18, Zitat),
"... sie einige kritische Aspekte, wie das investor-state dispute settlement und die regulatorische Kooperation einschließen, die eine Bedrohung für die Demokratie und den Rechtsstaat darstellen. Wir wollen Arbeits-, Sozial-, Umwelt-, Datenschutz- und Verbraucher-Standards vor Lockerungen, und Öffentliche Dienstleistungen (wie beispielsweise die Wasserversorgung) und Kulturgüter vor der Deregulierung in geheimen Verhandlungen bewahren. Die EBI unterstützt eine alternative Handels- und Investitionspolitik in der EU."
Mit ISDS und RCC gegen die Demokratie
Was es mit dem Instrument "InvestorState Dispute Settlement" (ISDS, Schiedsgericht zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten), mit dessen Hilfe Konzerne demokratische Gesetze außer Kraft setzen könnten, auf sich hat, kann man in einem meiner früheren Beiträge zum Thema "TTIP und CETA" nachlesen.
Der Begriff "regulatorische Kooperation" bezieht sich auf den geplanten "Regulatory Cooperation Council" (RCC, Rat zur regulatorischen Kooperation). In diesem Rat sollen Gesetzesvorhaben - unter Umgehung der nationalen Parlamente(!) - eng mit Lobbygruppen abgestimmt werden.
In einem Artikel auf der Internetseite der "Zeit" vom 05.06.2014 heißt es, das Gremium könnte nach bisherigen Erkenntnissen mit hochrangigen Vertretern aus Regulierungsbehörden aus den USA und der EU besetzt werden, die Vertreter aus Industrie und Wirtschaft frühzeitig über Deregulierungsvorhaben und Gesetzesinitiativen im Zuge von TTIP informieren sollen. Welche Befugnisse sie genau erhalten werden und wie sie vorgehen könnten, sei noch unklar.
Die EU-Kommission begründet die Ablehnung des Antrags der Bürgerinitiative damit, dass die Entscheidung des Rates über die Aufnahme von Vertragsverhandlungen ihrer Ansicht nach nur ein vorbereitender Akt ist. Dieser sei eine innere Angelegenheit zwischen dem Europäischen Rat und der Europäische Kommission, die keinerlei rechtliche Auswirkungen auf Außenstehende habe. Erst der unterzeichnete und ratifizierte Vertrag würde rechtliche Auswirkungen auf die Bürger und Bürgerinnen in den Staaten der Europäischen Union haben, die Gegenstand einer Europäischen Bürgerinitiative sein könnten. Wenn dem Antrag auf Registrierung einer Europäische Bürgerinitiative erst zu diesem Zeitpunkt stattgegeben werden würde, dann wäre es für eine Bürgerinitiative jedoch bereits zu spät, um sich noch dagegen zur Wehr setzen zu können.
Darüberhinaus kann der EU-Kommission zufolge eine EBI nur positiv formuliert werden. Demnach stünde es uns Bürgern nur zu, die Verabschiedung eines Vertrages oder die Einführung eines Gesetzes einzufordern - eine Forderung auf Unterlassung wäre uns - den davon Betroffenen - hingegen verwehrt.
Alle Staatsgewalt ging einmal vom Volke aus
Wie heißt es doch gleich im Artikel 20 (Abs. 2) unseres Grundgesetzes (GG)? Richtig (Zitat):
"Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt."Mit dem ISDS und dem RCC im Vertragswerk des CETA und des TTIP könnten wir, das Volk, wählen wen oder was wir wollen - In Verbindung mit den ISDS-Schiedsgerichten hätten multinationale Konzerne letztlich das Sagen:
- Mithilfe des ISDS würden sie sich über die Staatsgewalt hinwegsetzen. Das Volk wäre ihren profitorientierten Geschäftsinteressen schutzlos ausgeliefert.
- Die Organe der Gesetzgebung müssten nach ihrer Pfeife tanzen.
- Die "Rechtsprechung" würde sich in vorauseilendem Gehorsam an den Forderungen der Konzerne orientieren.
- Die Bundesrepublik Deutschland ist ein
demokratischer und sozialerBundesstaat. - Unter der Voraussetzung, dass sich kein multinationaler Konzern darüber hinwegsetzt, geht alle Staatsgewalt
gehtvom Volke aus. Sofern sie nicht den profitorientierten Interessen eines multinationalen Konzerns entgegensteht,Siewird sie vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Anderenfalls haben sich das Volk, sowie die Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung den Geschäftsinteressen der Konzerne unterzuordnen. Zur Vermeidung unnötiger finanzieller Belastungen für das Volk infolge vermeidbarer Kosten für ISDS-Verfahren und zur Beschleunigung der Gesetzgebungsverfahren, sind die Organe der Gesetzgebung angehalten, Gesetzentwürfe im Voraus mit den Lobbys der möglicherweise davon betroffenen Konzerne abzusprechen und sie dann den Parlamenten zur Ratifizierung vorzulegen. - Die Gesetzgebung,
ist an die verfassungsmäßige Ordnung,die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechungsind an Gesetz und Recht gebundenorientieren sich an den Geschäftsinteressen multinationaler Konzerne. Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Damit es erst gar nicht soweit kommt, hat das inzwischen von europaweit mehr als 290 Organisationen getragene Bündnis "Stop TTIP!" beschlossen, seinen Widerstand gegen TTIP und CETA als selbstorganisierte Europäische Bürgerinitiative (EBI) fortzusetzen.
"Stop TTIP" klagt gegen EU-Kommission
Zu Beginn dieser Woche hat "Stop TTIP!" wegen der Zurückweisung des Antrags auf Zulassung der EBI "Stop TTIP!" vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klage gegen die EU-Kommission eingereicht. Dazu hat das Bündnis am 10.11.2014 die folgende Prssemitteilung veröffentlicht (Zitat):
Luxemburg, 10.11.2014. Heute haben über 290 Bürgerorganisationen aus ganz Europa Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eingereicht. Gegenstand ist die Nicht-Zulassung der Europäischen Bürgerinitiative (EBI) Stop TTIP gegen die Handelsabkommen mit den USA und Kanada, TTIP und CETA. Die Bürgerinitiative fordert die EU-Kommission auf, das Verhandlungsmandat für TTIP aufzuheben und CETA nicht abzuschließen.
Die Europäische Kommission hatte den am 15. Juli gestellten Antrag auf Registrierung der Europäischen Bürgerinitiative am 11. September abgelehnt. Sie beruft sich auf zwei Hauptargumente: Das Verhandlungsmandat zu TTIP sei ein interner Vorbereitungsakt und kein Rechtsakt mit Wirkung auf die Bürgerinnen und Bürger. Außerdem könne eine EBI nur positiv formuliert werden, also darauf hinwirken, einen Rechtsakt zu erlassen, nicht aber einen solchen zu unterlassen. Beide Begründungen sind nach Ansicht der Initiatoren nicht stichhaltig.
Dabei geht es nicht nur um die Handelsabkommen: „Wir klagen nicht nur für die EBI Stop TTIP, sondern auch für weitere Europäische Bürgerinitiativen“, erklärt Michael Efler, Vertreter des siebenköpfigen Bürgerausschusses der EBI. „Wenn es um die Verhandlung internationaler Verträge geht, will die EU-Kommission die Bürgerinnen und Bürger komplett aussperren. Solange noch verhandelt wird, darf sich die Bevölkerung nicht einmischen und wenn die Verträge erst auf dem Tisch liegen, ist es zu spät. Diese Rechtsauffassung würde auch viele künftige EBIs zu zahnlosen Papiertigern machen.“
Mit einer Demonstration von etwa 50 Bürgern vor dem Europäischen Gerichtshof unterstrichen die Initiatoren der Europäischen Bürgerinitiative ihr Anliegen. „Der Graben zwischen Europapolitik und Bevölkerung soll überwunden werden, so das übereinstimmende Credo der Politik. Doch die Diskrepanz zwischen verbalen Luftblasen und tatsächlicher Politik ist eine Zumutung. Die Brüsseler Arroganz gegenüber Europas Bürgerinnen und Bürgern ist nicht hinnehmbar! Wir werden dies – auch im Interesse der europäischen Idee – nicht akzeptieren und uns weiterhin gegen die Freihandelsabkommen CETA und TTIP zu wehren wissen“, so Blanche Weber, Mitglied im Bürgerausschuss der EBI.
Mit der Klage vor dem EuGH will "Stop TTIP!" erreichen, dass auch für zukünftige Initiativen faire Bedingungen gelten.
Die seit ihrem Start vor einem Monat bereits von mehr als 880.000 Bürgern unterstützte Petition der EBI kann auf der Internetseite "Stop TTIP!" online mitgezeichnet werden ...
Zum Weiterlesen
(Quellen:, Stop TTIP! vom 10.11.2014, taz vom 10.11.2014, Süddeutsche Zeitung vom 10.11.2014, Die Zeit vom 10.11.2014, Der Spiegel vom 10.11.2014, Kleine Zeitung (Österreich) vom 10.11.2014, Neue Züricher Zeitung (Schweiz) von 10.11.2014, Heise Newsticker vom 10.11.2014, Die Zeit vom 05.06.2014)
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