Donnerstag, 7. April 2016

Doku "Wadim" im Deutschen Auswandererhaus


Wadim - Der Film (offizieller Trailer)

Die Erinnerung eines erwachsenen Menschen an seine Kindheit reicht im Allgemeinen etwa bis zu seinem fünften Lebensjahr zurück. Die Erinnerungen an die Zeit davor sind in der Regel bruchstückhafte Momentaufnahmen die gelegentlich situationsbedingt aus dem Nebel der Vergangenheit auftauchen und oftmals rasch wieder darin verschwinden.

So in etwa muss man sich wohl auch die frühesten Erinnerungen vorstellen, die Wadim mit seiner Kindheit in Hamburg verband. Dort hatte er die Schule besucht, ist zum Sport gegangen und war in der Ministrantengruppe. Er sprach deutsch, hatte deutsche Freunde und fühlte sich als Deutscher ...

Rückblende:
Als die Sowjetunion zerfiel fühlten sich Wadims russischstämmige Eltern in Lettland nicht mehr sicher. Zudem verweigerte Lettland den russischstämmigen Einwohnern die Staatsbürgerschaft, sofern sie diese nicht schon vor Beginn der sowjetischen Besatzung von 1940 innehatten. Als Staatenloser durfte Wadims Vater seinen Beruf als Polizist nicht mehr ausüben. 1992 emigrierte die Familie nach Deutschland. Damals war Wadim gerade sechs Jahre alt. Nachdem der Asylantrag der Familie abgelehnt worden war, folgten 13 Jahre zwischen Duldungen, Arbeitsverbot und Sammelunterkünften.

1998 schlossen Deutschland und Lettland ein Abkommen, mit dem Lettland sich verpflichtete, Staatenlose wieder aufzunehmen. Der Status der Duldung konnte nun jederzeit aufgehoben werden. Wadims Eltern brachen unter dem Druck zusammen und erkrankten an schweren Depressionen.

... Als die Ausländerbehörde 2005 versuchte, die Familie abzuschieben, schnitt Wadims Mutter sich die Pulsadern auf. Sein Vater kam in Untersuchungshaft. Wadim selbst wurde mit 18 Jahren als einziger aus einer Familie nach Lettland abgeschoben. Fünf Jahre lang versuchte er vergeblich, irgendwo unterzukommen. Nachdem er Riga verlassen hatte, verschlug es ihn nach Frankreich, nach Belgien und in die Schweiz. Erneut wurde er nach Lettland deportiert. Während dieser fünf Jahre war Wadim immer wieder heimlich - weil "illegal" - in Hamburg, um seine Familie zu besuchen. Als er im Januar 2010 zum letzten Mal nach Hamburg kam, beendete er seine aussichtslose Odysee auf den Schienen einer S-Bahn Linie. Wadim wurde 23 Jahre alt.


Wadim - ein Dokumentarfilm

Die Autoren und Filmemacher Carsten Rau und Hauke Wendler haben über das Schicksal Wadims einen Dokumentarfilm gedreht. Auf die - wie es in der Ankündigung heißt - "mehrfach preisgekrönte Dokumentation über das Leben eines jungen Mannes, der aus Deutschland abgeschoben wird und an der Suche nach einer neuen Heimat zerbricht", bin ich durch eine E-Mail aufmerksam geworden, die eine der vielen Initiativen, die im Goethe-Quartier des Bremerhavener Stadtteils Lehe aktiv und vernetzt sind, über die Verteiler geschickt hatte. Dass ich von der Ankündigung des Films auf diese Weise erfahren habe, ist sicher nicht verwunderlich, denn wir leben hier mit Menschen zusammen, die aus vielen verschiedenen Ländern zu uns gekommen sind.

Gezeigt wird der Film vom Arbeitskreis Migration und Flüchtlinge des Nord-Süd-Forums e.V. in Kooperation mit Pro Asyl, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, dem Verein Literatur und Politik e.V, sowie dem Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven.

Möglicherweise werde nicht ruhig schlafen können, nachdem ich mir den Film angesehen habe. Ich werde trotzdem hingehen ...

"WADIM"
Ein Dokumentarfilm von Carsten Rau und Hauke Wendler

Der Film ist zu sehen
  • Am 14.04.2016
  • Um 19 Uhr
    im Deutschen Auswanderer Haus
    Bremerhaven, Columbusstraße 65
    Kinosaal "Roxy"


    Der Eintritt ist frei
    Einlass über den Nordeingang des Museums
    (Richtung Lloyd-Platz / Parkplatz)


Zum Weiterlesen:
  • taz vom 20.01.12:
    Ein Gespräch mit Wadims Betreuer anlässlich der Premiere des Dokumentarfilms "Wadim".
  • Katholisch.de:
    Carsten Rau und Hauke Wendler über ihren Film "Wadim"

"Wadim ist tot. Aber hier leben noch 87.000 Menschen, die gedultete Asylbewerber sind. Und wenn irgeneiner von unseren Zuschauern seinen Blick auf diese Menschen leicht ändern würde und vielleicht mal drüber nachdenkt, ob die Klischees, die er im Kopf hat nicht so ganz stimmen, dann, finde ich, hat der Film schon Erfolg gehabt."

Hauke Wendler
(Dokumentarfilm "Wadim", Autor)


(Quellen: Lettische Presseschau vom 12.01.2013, taz vom 20.01.12, Spiegel vom 20.04.2010 und vom vom 13.12.2011, Wadim - Der Film, Katholisch de )

1 Kommentar:

Hermann Schwiebert hat gesagt…

Es ist schon sehr traurig, wie kaltherzig so viele Menschen in Deutschland und im übrigen Europa sind. Wenn irgendetwas schief läuft sind die Flüchtlinge schuld. Das erinnert mich sehr an die Nazizeit. Da waren Juden, Homosexuelle und andere Untermenschen schuld an jeder Misere. Heute sind es die Flüchtlinge. Das Prinzip ist das Gleiche.
Shit@
Liebe Grüße Hermann

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