Samstag, 3. Oktober 2015

CETA: EU-Verhandlungsmandat geleakt



Nachdem eine Veröffentlichung von offizieller Seite abgelehnt wurde, wurden der Verbraucherorganisation "Foodwatch" insgesamt drei CETA-Dokumente zugespielt, die Aufschluss über das Kapitel ISDS in der Chronologie des Verhandlungsmandats geben.

"Foodwatch" wertet das CETA-Leak als Erfolg einer E-Mail-Aktion, mit der die Veröffentlichung des CETA-Verhandlungsmandats gefordert wurde und die von 24.000 Bürgern unterzeichnet wurde. Zwar sei eine "offizielle" Publikation des Mandats nicht erreicht worden, aber der Aktion und der Berichterstattung darüber sei der Kontakt mit der Quelle der geleakten, seit vielen Jahren unter Verschluss gehaltenen Dokumente zu verdanken.

Im ersten der drei Dokumente, dem Verhandlungsmandat mit Datum vom 24.04.2009, sind die Ausgangs-Positionen, Ziele und Wünsche der EU festgehalten, die bei den Verhandlungen mit Kanada durchgesetzt werden sollten. Interessant ist hier insbesondere, dass zu Beginn von den demokratiefeindlichen Sonderrechten für multinationale Konzerne in Form von internationalen Schiedsgerichten ("Investor-State Dispute Settlement", ISDS) überhaupt noch keine Rede war. Europäische und deutsche Politiker haben diesen Punkt in der öffentlichen Auseinandersetzung bisher jedoch immer als grundlegende und unabdingbare Forderung Kanadas dargestellt, ohne die CETA nicht verhandelbar sei.

Wäre das der Fall, dann hätte ISDS auch von Beginn an Bestandteil des Verhandlungsmandats sein müssen - war es aber nicht.


Dem zweiten geleakten Dokument - einem Entwurf zur Änderung des CETA-Verhandlungsmandat - ist zu entnehmen, dass erst im Dezember 2010 eine allgemein gehaltene "Empfehlung der Kommission an den Rat zur Änderung der Verhandlungsrichtlinien für ein Abkommen mit Kanada über die wirtschaftliche Integration" formuliert wurde, mit dem die EU-Kommission ermächtigt werden sollte, im Namen der EU über Investitionen zu verhandeln. Zur Begründung heißt es einleitend (Zitat):
.. Unter Titel 3 "Dienstleistungsverkehr und Niederlassungsrecht" der vorgenannten Verhandlungsrichtlinien ist vorgesehen, dass "(die Vertragsparteien) unter Beachtung der Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft bzw. ihrer Mitgliedstaaten (übereinkommen), einen Rahmen für die Niederlassung (festzulegen), der sich auf die Grundsätze Transparenz, Diskriminierungsverbot, Marktzugang und Stabilität sowie auf die allgeıneinen Schutzprinzipien und auf die Mindestvorschriften für Investitionen bei EU-Freihandelsabkommen stützt, wie sie im Rahmen des Ausschusses "Artikel 133" vereinbart wurden (Dok. St 7242/09)". ..
In der Formulierung der Empfehlung ist im weiteren von unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagenden, privaten Schiedsgerichten à la ISDS aber immer noch keine Rede. Im Gegenteil: Unter Punkt 8 der Empfehlung heißt es (Zitat):
.. Durchsetzung: Das Abkommen soll darauf abzielen, dass neben der Streitbeilegung zwischen Staaten auch eine Streitbeilegung zwischen Investor und Staat festgelegt wird. Für das Schiedsverfahren sollen Transparenzanforderungen gelten, und zwar gleich zu Beginn für die Einleitung der Verfahren, für das Verfahren an sich, bis hin zur Veröffentlichung des endgültigen Schiedsspruchs. Ziel der Verhandlungen soll es sein, dass die Schiedsrichter aus einer im Vorfeld erstellten Liste benannt werden, oder dass andere Verfahren festgelegt werden, die so gestaltet sind, dass für die Entscheidungsfindung Kontinuität gewährleistet ist. ..


Erst im dritten Dokument vom Juli 2011 empfiehlt die EU-Kommissionm das Thema "Investor-State Dispute Settlement" in die Verhandlungsleitlinien aufzunehmmen (Zitat).
.. 26d. Durchsetzung: Das Abkommen muss einen wirksamen und dem aktuellen Stand entsprechenden Mechanismus für die Streitbeilegung zwischen Investor und Staat vorsehen. Die Streitbeilegung zwischen Staaten wird auch aufgenommen, wird aber nicht das Recht der Investoren beeinträchtigen, den Mechanismus für die Streitbeilegung zwischen Investor und Staat in Anspruch zu nehmen. Es sollte eine breite Palette von Schiedsforen für die Investoren vorsehen, wie sie derzeit gemäß den bilateralen Investitionsabkommen der Mitgliedstaaten bestehen. ..
Und Bestandteil eben dieser "breiten Palette" ist auch ISDS. Darüber dürfen wir uns spätestens seit der Klagen des schwedischen Atom- und Kohlekonzerns "Vattenfall" gegen Hamburg (Umweltschutzauflagen für ein neues Kohlekraftwerk) und die Bundesrepublik ("Atomausstieg") keinen Illusionen mehr hingeben. Darüberhinaus soll das Kapitel des Abkommens über Investitionsschutz auch noch rückwirkend gelten (Seite 3 des dritten Dokuments, 26b. Geltungsbereich, Zitat): ".. unabhängig davon, ob die Investitionen vor oder nach dem Inkrafttreten des Abkommens getätigt wurden. .."!

Das öffnet weiteren Konzernklagen gegen Umweltauflagen, Gesetze zum Klimaschutz etc., für die es in der Vergangenheit keine Handhabe gab, Tür und Tor.

Nach einer Forderung für eine transparente Gerichtsbarkeit sucht man in diesem Dokument hingegen vergeblich. Ganz im Gegenteil wird hier eine Paralleljustiz formuliert: Nicht die Streitbeilegung zwischen den Verhandlungsparteien, den beteiligten Staaten, ist mehr vorragngig, sondern das Sonderrecht der Investoren, "den Mechanismus für die Streitbeilegung zwischen Investor und Staat in Anspruch zu nehmen" wird davon in keiner Weise beeinträchtigt!
  • Will heißen: Wenn Kanada und ein Mitgliedsland der EU in einem Streitfall zu einer Einigung kommen sollten, könnte sich ein interinationaler operierender Konzern via ISDS-Entscheidung einfach darüber hinwegsetzen.


Fazit

Eine Paralleljustiz für Konzerne war keinesfalls "schon immer" ein unverzichtbarer Bestandteil von CETA. Erst zwei Jahre nach Beginn der Verhandlungen mit Kanada wurde das Verhandlungsmandat entsprechend ergänzt - und zwar auf den ausdrücklichen Wunsch der EU-Kommission! Die EU-Kommission, ebenso wie auch Politiker der Bundesregierung, haben uns diesbezüglich seit langer Zeit immer wieder belogen. Mit der versprochenen "Transparenz" hat das alles absolut nichts zu tun. Was mich betrifft, hat die Politik in Sachen CETA, TTIP, TISA etc. jedenfalls ihre letztes bischen Glaubwürdigkeit verspielt.


Stop TTIP!

Ich bin wieder einmal empört über dieses Maß an Verlogenheit. Wenn ich nicht schon längst die Forderungen der selbstorganisierten Bürgerinitiative (sEBI) "Stop TTIP!" unterzeichnet hätte, dann wäre spätestens jetzt, nach der Veröffentlichung der geleakten Dokumente, der Zeitpunkt gewesen, mich deren Forderungen anzuschließen. Bis Dienstag kommender Woche ist noch Zeit, die sEBI auf der Internetseite von "Stop TTIP!" online zu unterzeichnen. Danach endet die Unterschriftensammung entsprechend der Regeln für eine Europäische Bürgerinitiative.


Demonstration

Am kommenden Samstag, 10. Oktober, geht es nach Berlin. Im Zentrum der deutschen Politik werden dort tausende Menschen gegen CETA und TTIP, sowie für einem fairen Welthandel demonstrieren!

Für alle. die sich der Demonstration noch kurzentschlossen anschließen möchten, gibt es auf der Internetseite "TTIP-Demo" eine Mitfahrbörse. Dort sind inzwischen unter anderem mehr als zweihundert Einträge für Mitfahrgelegenheiten Bussen aus nahezu dem gesamten Bundesgebiet zu finden. Außerdem stellen die Organisatoren der Demonstration mehrere Sonderzüge für die Fahrt zur Demonstration in Berlin zur Verfügung.






(Quellen: Foodwatch - Mitteilung vom 01.10.2015, Stop TTIP!, TTIP Demo )

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